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Jubiläumsball 100 Jahre Stadthalle Kongress Palais Kassel FREITAG, 18. JULI 2014 EINLASS AB 19.00 UHR www.jubilaeumsball100.de SM!LE Ballroom Orchester Tango Cristal ResiDance Orchester Cassel radioHNA Disco Kartenvorverkauf: Tourist Information in der Wilhelmsstraße 23 Tel. 0561 7077-07, Mo-Sa 9-18 Uhr | ball100@kassel-marketing.de www.jerome-kassel.de 21 JÉRÔME STADT nen fast 49 Jahren (Geburtstag hat er wenige Tage nach Erscheinen dieser Ausgabe) „keinen Abschiedsschmerz von der Jugend, ich kleide mich erwachsen“, sondern eine sechsjährige Enkelin. Weil er sich nämlich auf der Fachhochschule in eine Klassenkameradin verliebte, die bis heute seine Frau ist. „Als 20-Jähriger habe ich die Schule abgeschlossen mit Ehefrau und Tochter.“ Schwede, Finne, Litauer Russe - aber immer Deutscher Der ungewöhnliche Name Forssman ist schwedisch, er stammt ab von Deutschsprachigen, die sich über Generationen in Skandinavien, im Baltikum und in Russland tummelten. „Mein Großvater war Schwede, Finne, Litauer, Russe – aber immer Deutscher. Das Konzept der Einheit von Sprache und Nation auf begrenztem Raum ist ja eine verhältnismäßig neue Idee – und keine gute.“ Büchernarr war er schon immer und ist er bis heute, ein manischer Vielleser. Aber er l scher Ab as anderes als die meisten, schon als Halbwüchsiger nahm er sich den ganzen Arno Schmidt vor, inklusive dem Hauptwerk „Zettel’s Traum“, ein Konvolut von anderthalb Tausend Seiten, das es gar nicht als Buch gab, nur als Kopie eines höchst verworren wirkenden Schreibmaschiweil kein Mensch wusste, wie man das setzen sollte. Student nen-Typoskripts, wt Forssman beschäftigte sich in seiner Abschlussarbeit damit – kriegte seinen ersten Job und gestaltet seither alle Publikationen der Arno Schmidt Stiftung. An irgendwen erinnert dieser Forssman mich. Den jungen Herbert Wehner? Er formuliert etwas stockend, man kann ihm sozusagen beim Denken zusehen, aber was dann herauskommt, ist absolut druckreif: „Nicht wenige Gestalter Aufgabe gar nicht bewusst wahr, dass sie in einer historischen nehmen bei einer ALinie stehen, sondern sind gefangen in einem ewigen Jetzt.“ Daher: „Wer keine Freude an der Überlieferung empfindet, sollte kein Buchgestalter sein.“ Noch immer schwärmt er für seinen Mentor, den Mainzer Professor für Typographie und Buchgestaltung Hans Peter Willberg, der mit seinen Studenten „geradezu sokratische Frage- und Antwortspiele“ veranstaltete: „Aufgrund einer gewissen begründeten Selbstherrlichkeit kann man eine wirklich ehrliche Bescheidenheit entwickeln.“ Und zitiert in diesem Zusammenhang Konfuzius: „Der Große wirkt aus der Ferne ehrfurchtgebietend und aus der Nähe freundlich.“ In bewährte Rechtschreibung verfaßt Forssman liebt das Alte und findet es toll, in einem alten Haus zu leben: „Es muss knarzen.“ Das Neue lehnt er nicht grundsätzlich ab, „ich bin kein Nostalgiker“, der Computer zum Beispiel ist hochmodern, aber manchmal polemisiert er schon ganz gern. Die neuen Apartmenthäuser mit eigener Tiefgarage, die in Wilhelmshöhe an die Stelle abgerissener Kleinodien gebaut wurden, sind für ihn „sterbegerechte Investorenruinen“. Er betreibt eine Website (http://kassel-wilhelmshöhe.de) mit detaillierten Beschreibungen und vielen alten Fotos dessen, was war. Auf der eigenen Website (www.friedrichforssman. de) findet sich der Satz: „Sämtliche Bücher, an denen FF mitgeschrieben hat, sind in bewährter Rechtschreibung verfaßt und in keinem der stochastischen Verfallsstadien des Konformismus-Flächenversuchs mit dem irreführenden Namen ,Neue Rechtschreibung’.“ In der Zeitschrift buchreport hat er mit einer wüsten Polemik gegen das E-Book mit voller Absicht soeben eine Art kleinen Shitstorm losgetreten. Auf die Nachfrage, wie E-Books aussehen müssten, damit sie ihm gefielen: „Sie müssten auf Papier gedruckt und fadengeheftet wer- den.“ Um hinzuzufügen: „Klebegebundene, festeingebundene Bücher“ – also das, was unsereins so hauptsächlich in den Regalen stehen hat – „sind überaus Talmi.“ Friedrich Forssman, kurz gesagt, bewegt sich auf einer geringfügig anderen Umlaufbahn als Sie oder ich. tärgerlicher Da überrascht es beinahe, dass er ein Auto besitzt. Was da für ein Wagen in der Garage überwintert, sollte eigentlich nicht mehr überraschen, aber es ist ein echter Hammer: Ein schwarzer Oldtimer, Citroen Traction Avant 11 CV, mal das modernste Auto der Welt, aber das war 1934. Diese Karosse hier ist Baujahr 1954, Vorderradantrieb, ideale Straßenlage, bekannt auch als Gangsterlimousine, sie soll wegen ihrer überdurchschnittlich guten Fahreigenschaften bei Verbrechern als Fluchtfahrzeug beliebt gewesen sein. Jedenfalls fährt das Ding immer noch (und erregt öfter Aufruhr), Forssman und Familie sind damit letztens bis ins Baltikum geschippert, auf den Spuren der Vorfahren. Und ein Nostalgiker ist er doch. Der Nachfahre des Traction Avant 11 CV, der Citroen DS, die berühmte Göttin, mein Lieblingsauto, ist ihm viel zu modern ...


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