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www.jerome-kassel.de 31 JÉRÔME WIRTSCHAFT große Herausforderung ist. Das ist eine Folge der demografischen Entwicklung. Auf der anderen Seiten denken sie aber gleichzeitig nicht konsequent über Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung von älteren Fachkräften oder über neue Arbeitszeit und Arbeitsplatzmodelle nach, um die zukünftige Lücke des Fachkräftemangels zu minimieren. Diese Maßnahmen rangieren bei der Wichtigkeit auf der untersten Stufe.Es gab aber auch bereits auf der Ebene der Mega-Trend-Einschätzung einige Auffälligkeiten. Während der demografische Wandel als besonders bedeutsam angesehen wird, weist man dem Mega-Trend Female Shift eine eher untergeordnete Bedeutung zu. Das ist ein Fehler. Zumal er mit dem demografischen Wandel wie auch mit allen anderen bewerteten Trends in engem Zusammenhang steht. Jérôme: Wären Sie so nett …? Mann: Female shift bedeutet, dass es eine Angleichung der Geschlechterrollen gibt, die sich auch im Wirtschaftsleben wiederfindet. Es gibt immer mehr gut ausgebildete Frauen, die als fach- und Führungskräfte erwerbstätig sind und deutlich mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen als bisher in dem traditionellen Rollenverständnis. Jérôme: Also sind wir wieder in den 60er Jahren, wo man einen Chef mit dem Hinweis auf die eigene Kündigung unter Druck setzen konnte? Mann: Wir sind auf dem Weg, dass gut ausgebildete Kandidaten, egal ob männlich oder weiblich, sich Stellen aussuchen können und Chefs darüber nachdenken müssen, wie sie ihr Unternehmen für Bewerber attraktiv gestalten. Und dazu gehören auch wieder die bereits erwähnten flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle, interessante Arbeitsinhalte, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten. Viele Unternehmen müssen begreifen, dass sie genau so viel investieren müssen, um gute Leute zu bekommen und zu halten, wie sie in ihre Produkte und in ihren Vertrieb investieren. Man muss nicht nur eine bekannte Marke mit gutem Image auf dem Absatzmarkt, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt haben! Wir Marketingleute nennen das Employer Branding. Jérôme: Was sieht man im Industriepark als wichtig, was als weniger wichtig an? Mann: Der Ausbau von IT und dessen Sicherheit steht in fast allen Antworten ganz weit oben, ebenso eine bessere Anbindung an das Verkehrsnetz. Tendenziell wurden die meisten abgefragten Bereiche als wichtig angesehen. Wobei die Vorgehensweise bei Befragung diese Anspruchsinflation auch gefördert haben kann. Eine homogenere Branchenausrichtung, das man sich also auf bestimmte Branchen stärker fokussiert, wird hingegen als weniger wichtig für den Industriepark angesehen. Jérôme: Ihr Fazit und ein paar knackige Tipps zum Schluss ... Prof. Dr. Andreas Mann erarbeitete eine Studie zum Industriepark Kassel und dessen Zukunft Foto: Mario Zgoll Mann: Wir wollten mit der Studie vor allem sensibilisieren, die Unternehmen zum Nachdenken bringen. Das ist uns, hoffe ich, gelungen, wenngleich über 85 % der befragten Unternehmen ihre zukünftige Entwicklung positiv einschätzen. Und hierin kann die Gefahr liegen, dass sich die Unternehmen nicht ausreichend mit relevanten Zukunftsentwicklungen beschäftigen. Während Betriebe, die sich um ihre Zukunft sorgen, meist Trends gewissenhaft analysieren, um Risiken und auch Chancen frühzeitig zu erkennen, werden Unternehmen, die aus ihrer Komfortzone heraus optimistisch in die Zukunft blicken, oft phlegmatisch. Es gibt noch zwei weitere Punkte, die mich etwas beunruhigen. So werden einige technologische Trends, wie z. B. Big Data und 3-D-Druck – im Gegensatz zu weit verbreiteten Meinung von Forschungsinstituten – von den Industriepark-Unternehmen als wenig bedeutsam eingestuft. Mein Tipp ist, hierüber noch einmal nachzudenken, da ich mir durchaus vorstellen kann, dass diese Trends auch für die ansässigen Unternehmen im Industriepark erhebliche Relevanz haben. Auffällig ist auch, dass sich die meisten Unternehmen über Trends informieren, indem sich mit Lieferanten und Kunden darüber austauschen. Selbstverständlich ist es immer sinnvoll zu erfahren, was die Marktpartner in diese Richtung denken. Allerdings ersetzt eine derartige Marktforschung keine effektive Trendforschung, die immer unabhängig von strategischen Informationen von Lieferanten- und Kundenseite sein sollte. Es ist viel besser, sich branchenübergreifend auszutauschen. Hierfür bietet das Netzwerk des Industrieparks eine gute Grundlage. Generell werden Netzwerke von Unternehmen in Zukunft immer wichtiger, um in einer zunehmend komplexer und dynamischer werdenden Umwelt erfolgreich agieren zu können. Daher kann ich nur empfehlen, das Networking zu verstärken. Alle Unternehmen, vor allem aber die mittleren und kleineren, können davon profitieren.


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