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documenta 14: Museum der 163 Tage Von Jan Hendrik Neumann 6 www.jerome-kassel.de JÉRÔME STADT Von Athen lernen? Um Gottes Willen, nein, erwiderte mir vor einigen Jahren der Feuilleton-Chef einer großen deutschen Tageszeitung, als ich ihm einen Bericht über die gerade im Fridericianum stattfindende Ausstellung des Kölner Konzeptkünstlers Hans Haacke anbot. Haacke, obgleich international renommiert sowie u.a. dreifacher documenta-Teilnehmer, war ihm scheinbar zu offensiv politisch für seine eher an tradierter Kunstauffassung orientierte Leserschaft. Selbige, mehr den Wonnen der Ästhetik und damit den Meistern der »Kunst kommt von Können«-Fraktion denn den Eleven des sogenannten »erweiterten Kunstbegriffs« zugeneigt, wird es auch mit der jüngst in Athen und ab dem 10. Juni ebenfalls in Kassel eröffneten documenta 14 nicht ganz leicht haben. Etwas sichtbar machen Citius, altius, fortius – schneller, höher, stärker: Diesem heutigen Motto der Olympischen Spiele fühlt sich Adam Szymczyk, 2013 zum künstlerischen Leiter der 14. Ausgabe der documenta berufener Kunstgeschichtler, ganz gewiss nicht verpflichtet, auch wenn er es zu verantworten hat, dass die seit ihrer Gründung 1955 fest in Kassel verankerte, weltgrößte Kunstausstellung erstmals sowohl hier wie auch in Griechenland stattfindet, für jeweils 100 Tage. Der Erfolg dieses keineswegs Erstmalig 1983 in Buenos Aires umgesetzt, nach dem Ende der dortigen Militärdiktatur: der »Tempel der verbotenen Bücher«, ein Projekt der argentinischen Konzeptkünstlerin Marta Minujin mit einem Doppel-Etat ausgestatteten Doppel- Projektes – ursprünglich waren lediglich 300.000 Euro von insgesamt zur Verfügung stehenden 31 Millionen Euro für Athen eingeplant – sei bereits in dessen bloßer Realisierung zu sehen, wie der 46-jährige gebürtige Pole kürzlich gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte. Seine vorherigen Betätigungen als Mitkurator der Berlin Biennale (2008) sowie als Direktor der Kunsthalle Basel (2003–2014) hatten ihm nicht zwingend neue Besucherrekorde abverlangt, was durchaus nachvollziehbar macht, dass es für ihn und sein Team, so Szymczyk, bei der Umsetzung des Ausstellungsmottos »Von Athen lernen« nicht darum gehen könne, bereits „fest in der Produktions- und Konsumkette zeitgenössischer Kunst“ verhaftete Wer- Fotos: documenta Archiv Marta Minujin, Ryszard Kasiewicz, Nils Klinger, | Jürgen Kettler, Helmut Plate 2017 das Wahrzeichen der documenta 14 (hier im Aufbau): der dem Athener Parthenon nachempfundene »Tempel der verbotenen Bücher«, nun erstmals in Originalgröße


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