Dienstleister der Reformation

Bild und Botschaft: Lucas Cranach d. Ä. in Schloss Wilhelmshöhe

Zu den bedeutendsten und produktivsten Künstlern der Renaissance zählend, wird Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) noch bis zum 29. November 2015 mit einer großen, über 100 Kunstwerke umfassenden Sonderausstellung in Schloss Wilhelmshöhe gewürdigt, entstanden in Kooperation mit der Stiftung Schloss Friedrichstein Gotha wie auch im Zeichen des nahenden 500. Reformationsjubiläums 2017.

„Mit Lucas Cranach haben wir eine Figur jener Glaubens- und Zeitenwende vor uns, aber eben keinen religiösen Fundamentalisten oder politischen Aktivisten, sondern einen Dienstleister der Reformation“, betonte Prof. Dr. Bernd Küster, Direktor der mhk, bei der Eröffnung der Ausstellung. Wenn es etwas gebe, dass sich, verbunden mit dem Namen Cranach, ins kollektive Kulturgedächtnis der Nation eingeprägt habe, dann seien dies vor allem die Lutherporträts des Künstlers, „Porträts, die der Propaganda der Reformation einen nachhaltigen Dienst erwiesen haben“, so Küster. Luther habe sehr wohl um die publizistische Wirkung von Cranachs Bildern gewusst und sie als opportunes Werkzeug zur Verbreitung des neuen Glaubens gesehen. „Auch in Flugblättern ritt Cranach scharfe Attacken gegen den Katholizismus und konnte es sich gut leisten, denn als Hofmaler der sächsischen Kurfürsten genoss er deren Protektion“, führte Küster weiter aus. „Diese Gunst und seine aktive Rolle im sogenannten Bilderkampf – heute würde man so etwas als Propagandakrieg bezeichnen – hielten ihn allerdings nicht davon ab, auch Aufträge der katholischen Kirche entgegen zu nehmen.“ Das sei jedoch keineswegs Verrat an der eigenen Sache oder gar dem eigenen Glauben gewesen, „sondern einem bereits damals vorkommenden Grundsatz künstlerischer Produktivität geschuldet, der besagt: Wer gut bezahlt, wird gut bedient“.

Zur Eröffnung der Ausstellung in der Reithalle am Marstall trug das Due Bassi – Jochen Faulhammer, Gesang, und Andreas Düker, Laute – Musikstücke aus der Zeit Cranachs vor. Foto: Mario Zgoll

Zur Eröffnung der Ausstellung in der Reithalle am Marstall trug das Due Bassi – Jochen Faulhammer, Gesang, und Andreas Düker, Laute – Musikstücke aus der Zeit Cranachs vor. Foto: Mario Zgoll

Religiös und sinnlich
Bei Lucas Cranach d. Ä. habe man es mit einer epochalen Persönlichkeit zu tun, betonte der mhk-Direktor. Dessen Ausnahmestatus sei zwar auch dem großen Vertrauensverhältnis zu Martin Luther geschuldet gewesen, in erster Linie jedoch Verdienst seiner bedeutsamen, damals glaubensübergreifend anerkannten Malerei. Prof. Dr. Bernd Küster: „Seine künstlerische Leistung, diese minutiöse, aber auch keineswegs übertriebene Genauigkeit in der Auffassung von Figur und Landschaft, dieses Verschmelzen eines religiösen Motivs mit der Sinnlichkeit, das steht immer auch herausgehoben aus der Zeit, die ihn umgab.“ Dr. Justus Lange, Leiter der Gemäldegalerie Alte Meister in Schloss Wilhelmshöhe, erinnerte in seiner Ansprache zunächst an Äußerungen von Joseph Beuys aus dem Jahr 1974. Der Aktionskünstler wollte damals bei Lucas Cranach d. Ä. etwas „Unbestimmtes, Chaotisches, Krauses“ ausgemacht haben, ohne dies jedoch zu belegen. Die Organisation der Cranach-Werkstatt habe er damit auf jeden Fall nicht meinen können, so Lange, denn diese sei extrem straff organisiert und höchst effektiv gewesen. Anders hätte Cranach auch nicht eine so große Anzahl von Werken schaffen können, wie etwa einen Auftrag über 60 Bildnisse der sächsischen Kurfürsten. Der Kunsthistoriker: „Das muss man sich mal vorstellen – 60 Mal dasselbe Gesicht. Entweder man verzweifelt daran oder man macht es wie Cranach: Man schafft eine effektive Organisationsstruktur in arbeitsteiligen Prozessen, und all dies bei hoher künstlerischer Qualität.“

Taktische Illusionen
Ohnehin habe es unter dem Zeichen der geflügelten Schlange – einem von Kurfürst Friedrich dem Weisen verliehenen Wappenbrief entnommen – weniger den einen Cranach gegeben, „sondern eher ein Künstlerkollektiv“, bestehend aus den Malern der Familie Cranach, zahlreichen weiteren Künstlern sowie Lehrlingen und Schülern. „Zunächst oblag es Cranach, seiner Werkstatt, als Hofmaler für die Kurfürsten von Sachsen repräsentative Werke zu schaffen, die der Ausstattung der Residenzen dienten und als Geschenke an befreundete Fürsten gelangten“, trug Lange vor. Darunter seien sowohl zahlreiche Porträts gewesen wie auch mythologische und biblische Historienbilder sowie Jagd- und Turnierdarstellungen, zu deren Höhepunkten ein großes Gemälde aus dem Prado in Madrid zähle, eine Hochjagd zu Ehren Kaiser Karl V. darstellend. In meisterhaftem Detailreichtum werde hier das Jagdgeschehen vor der Kulisse des sächsischen Residenzschlosses Hartenfels in Torgau dargestellt, mit zahlreichen von Hunden gejagten Hirschen wie auch Ebern und Bären, Kurfürst Johann Friedrich samt Gefolge und sogar Kaiser Karl V., vereint auf 114 x 175 Zentimetern Leinwand. „Nur: Eine solche gemeinsame Jagd zwischen Kurfürst und Kaiser hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Es ist ein Werk der Kunst und der Diplomatie.“

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