Grimms-Gramms in der documenta-Halle Hauptsache, es funktioniert Die Brüder Grimm verbrachten nach eigenen Angaben die „arbeitsamste und vielleicht fruchtbarste Zeit“ ihres Lebens in Kassel. Da ist es nur logisch, dass das Land Hessen seine große Landesausstellung als Höhepunkt des Grimm-Jahres hier ausrichtet. Es geht um viel mehr als nur die Märchen, die sie hier gesammelt haben: Leben und Geschichte, Werk und Wirkung. 30 www.jerome-kassel.de wolken“ gepinselt, mit Exemplaren aus ihrem Deutschen Wörterbuch: „dada“ kannten sie verblüffenderweise schon hundert Jahre vor der Erfindung in Zürich, auch „Damenbefreier“, „Dalderadei“, „Dunderlo“ und, das beste, den „Entlassungsbückling“. Ist das nicht ein Brüller? Vermutlich haben die beiden auch öfter mal gekichert bei den eigenen Werken. Außerdem hatten sie ein ziemlich abenteuerliches, abwechslungsreiches Leben, vor allem Jakob: Erst vom Kurfürsten beschäftigt, dann von König Jérôme, dann wieder im Auftrag des Kurfürsten Teilnahme am Wiener Kongress, Reisen nach Paris, um von Napoleon geraubte Kunstschätze wieder aufzuspüren, später in Diensten des Königs von Hannover in Göttingen, wo sie sich als zwei der „Göttinger Sieben“ empörten, als der einfach die Verfassung brach, gefeuert wurden und zurück nach Kassel flohen, schließlich nach Berlin gingen, Jakob war dann noch Abgeordneter in der Paulskirche. Dies alles zeigt die Ausstellung anhand von 140 Originalobjekten, von Erstausgaben bis zu persönlichen Objekten, Bildern und Büsten in drei den Hauptwerken gewidmeten Kabinetten, es gibt auch Mitmachstationen auf einem Expeditionspfad durch eine künstliche Landschaft in der Hohen Halle, in der die auf dem Hinterkopf ruhenden Profile der Brüder als Berge aufragen, einen Kinoraum und einen virtuellen Rundgang durch ihre Wohnung am Wilhelmshöher Tor, die 1943 ausgebombt und nun erstmals in 3D rekonstruiert wurde. Seriös wie museale Ausstellungsmacher Noch ist nicht viel zu sehen, als Kurator Dr. Thorsten Smidt durch die Räumlichkeiten führt, außer geschäftig herumwuselnden Menschen, die mit dem Aufbau beschäftigt sind. Smidt ist übrigens kein Unbekannter: Er war schon Kurator der „König Lustik“-Ausstellung vor fünf Jahren, die Inspiration für unseren damals erstmals erschienenen Magazintitel war. „Klar hab ich das mitgekriegt“, meint er fröhlich, „war ich richtig stolz drauf.“ Nach fünf Jahren Wilhelmshöhe wechselte er zu einer Firma nach Bonn, die sich als „Dienstleister für Kultur und Tourismus“ versteht. Und diese Firma ist es, die nun als Generalunternehmer für Konzeption, Planung und Durchführung die ganze Ausstellung auf die Beine stellt. Eine Firma? Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so was gibt. Smidt versichert: „Wir machen das genauso seriös wie museale Ausstellungsmacher auch, sind vielleicht Blick in die laufenden Umbauarbeiten in der documenta-Halle Von Volker Schnell JÉRÔME FEUILLETON Gestern Abend habe ich einen neueren Film von Woody Allen gesehen. Der schwächelte ja in letzter Zeit ein bisschen, doch bei zwei Dialogzeilen bin ich vor Lachen aus dem Sessel gerutscht: Alter Mann erwacht aus einem Alptraum und hat eine Panikattacke. Junge Frau macht zur Beruhigung den Fernseher an. Alter Mann (in Panik): „Ich habe den Abgrund des Todes gesehen!“ Junge Frau: „Keine Sorge, wir gucken was anderes.“ Können Sie das toppen? Also, ich könnte das nicht toppen. Und wie wär’s mit den Grimms? Keinen Blick für eine schöne Aussicht Kaum jemand weiß, dass das auch ganz humorige Burschen waren. Zur Zeit des Namenspatrons dieses Magazins schrieb Wilhelm Grimm (ich weiß nicht mehr, ob an Achim von Arnim oder Clemens Brentano): „Diese Franzosen haben gar keinen Blick für eine schöne Aussicht. An der schönsten Stelle hier, der Bellevue, haben sie Stallungen errichtet, um die Pferde zur Betrachtung der Natur anzuleiten.“ An eine Wand der hohen Halle haben die Ausstellungsmacher sogenannte „Wort-
Jerome Nr. 29
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