JÉRÔME FEUILLETON Phoenix aus der Asche Neues Architekturmodell: Wie das Ottoneum als Kunsthaus aussah Das Kasseler Ottoneum, ein wahrer Multifunktionsbau der Superlative, wurde so oft umgebaut bzw. umgenutzt wie kein zweites Haus in Kassel. Wie das 1603–1606 errichtete Gebäude, in dem sich seit 1929 das städtische Naturkundemuseum befindet, in seiner zweiten Blütephase im 18. und 19. Jahrhundert höchstwahrscheinlich aussah, zeigt ein neues Architekturmodell, über dessen Besonderheiten wir mit Museumsdirektor Dr. Kai Füldner und Jan Hendrik Neumann (Atelier Neumann) sprachen. 32 www.jerome-kassel.de Foto: Mario Zgoll Jérôme: Das Ottoneum hat eine ungewöhnlich bewegte Vergangenheit. Herr Dr. Füldner, fallen Ihnen auf Anhieb sämtliche Stationen seiner Nutzungsgeschichte ein? Dr. Kai Füldner: Ich hoffe doch! Zunächst einmal war es, von Landgraf Moritz in Auftrag gegeben, Deutschlands erstes festes Theatergebäude der Neuzeit. Danach wurde es unter anderem genutzt als Soldatenkirche, landgräfliches Gießhaus, Studentenwohnheim, Kadettenhaus, Kriegsschule, Sitz der Steuerbehörde wie auch als Kunstakademie, Gerichtsgebäude und Katasteramt. Unser neues Modell, mit dem auch die neugestaltete Dauerausstellung im zweiten Stock beginnt, zeigt das Ottoneum, wie es nach dem ersten, lange dem Architekten Simon Louis du Ry zugeschriebenen Umbau von 1696 genutzt wurde: als Kunsthaus, in dem die landgräflichen Kunstschätze, naturwissenschaftliche Sammlungen und Baumodelle aufbewahrt wurden, als Sternwarte sowie – mit dem Collegium Carolinum – als vor-universitäre Ausbildungsstätte. Jérôme: Haben sich denn für den Bau dieses Modells im Stadtarchiv oder in den städtischen Museen noch Unterlagen von der damaligen Umgestaltung des Ottoneums gefunden? Jan Hendrik Neumann: Aus der gesamten Kuppel Periode existieren leider nur noch eine Handvoll grafischer beziehungsweise gemalter Darstellungen des Gebäudes. Die sind zudem recht klein, da das Ottoneum dort zumeist nur eine Nebenrolle spielt, und sie widersprechen sich in vielem, so etwa in der Darstellung der Proportionen oder in der Positionierung der jeweiligen Bauelemente, von Details ganz zu schweigen. In abgeschwächter Form trifft das sogar auf die – in die Rekonstruktion ebenfalls mit einbezogenen – aktuelleren Umbaupläne des Hauses zu, bei denen auch so manche Ungereimtheit auftaucht. Füldner: Daraus eine Gesamtlösung zu entwickeln, bei der am Ende dann trotzdem alles zusammenpasst, war sicher eine Herausforderung. Aber das Ergebnis, zu dem unter anderem auch die zeichnerischen Kuppel-Rekonstruktionen des Kasseler Architekturhistorikers Christian Presche sehr beigetragen haben, kann sich ab-
Jerome Nr. 29
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