Ein Museum rund um LEBEN UND TOD 30 www.jerome-kassel.de JÉRÔME FEUILLETON Das Museum für Sepulkralkultur am Weinberg in Kassel ist ein ungewöhnlicher Ort für viele Fragen rund um das Thema Sterben und Tod Es hat sich gefügt“, sagt Professor Dr. Reiner Sörries, Direktor des Museums für Sepulkralkultur (sepulcrum: Grab; Grabstätte) in Kassel. Als er vor 22 Jahren nach Kassel gekommen sei, sei er am Hauptbahnhof aus dem Zug gestiegen und habe gedacht, er wolle gleich wieder umkehren. Der erste Eindruck vom Bahnhofsvorplatz und von Kassel sei damals nicht schön gewesen. Erster Eindruck mit Hindernissen Das Vorhaben wieder umzukehren, hat er nicht in die Tat umgesetzt. Sondern ist geblieben und hat das Museum für Sepulkralkultur am Weinberg aufgebaut, 1992 eröffnet und etabliert. Ein ungewöhnliches Museum rund um Bestattung und Tod. Nach 12 Jahren im Wissenschaftsbetrieb Universität hatte sich Reiner Sörries, der aus der Nähe von Nürnberg stammt, um diese Stelle beworben und sie eben auch bekommen. Helle, freundliche Atmosphäre Dass das Museum in Trägerschaft der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal etwas Besonderes sein würde, so der Direktor, sei ihm und seinem Team gleich bewusst gewesen. „Wir wollten offen sein und nicht in die Totenecke gedrängt werden“, erinnert er sich. Die Themen Tod, Bestattung, Sterben und Trauer sollten gesprächsfähig gemacht werden. Aber so, dass sich die Menschen ins Museum trauten. Die Architektur des Hauses – hell, luftig, freundlich – baute von Anfang an Hemmschwellen ab und sprach für sich. Gleich die erste Ausstellung beschäftigte sich mit Karikaturen, die sich mit dem Tod beschäftigten – und war ein voller Erfolg. Existenzielle Themen ansprechen Die Ausstellung „Last minute“ folgte – mit vielen Informationen und bedrückenden Bildern und Videos rund um Sterben und Tod. Schwere Kost, die aber ankam. Ebenso wie die Ausstellung „Nochmal leben“, die Menschen vor und nach ihrem Tod zeigte. „Grenzgänge“, sagt Prof. Reiner Sörries, Grenzgänge, die er zusammen mit elf Mitarbeitern und vielen Künstlern immer wieder wagt. Grenzgänge wagen Ihm und seinen Mitarbeitern seien immer wieder die richtigen Menschen und Begegnungen geschenkt worden, erzählt der 60-Jährige. Daraus sind Ausstellungen und Veranstaltungen entstanden. „Wir müssen immer hellhörig sein und überlegen. Was passt hier rein?“ Prägende Begegnungen mit Menschen und Themen „Die Menschen wollen sich mit diesen existenziellen Themen befassen, da hat sich etwas verändert in der Gesellschaft“, sagt der Museumschef, der nach wie vor eine apl.-Professur für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte in Erlangen hat. Nach Auswertung des museumseigenen Gästebuches habe eine Volontärin einmal bilanziert, sie habe sich ein klein wenig gefürchtet. Es sei eben nicht nur heile Welt gefragt, die existentiellen Themen würden mehr und mehr angesprochen. Zur Entspannung ans Wasser Und seit Jahren pendelt er zwischen Kassel und Erlangen und neuerdings zwischen Kassel und der Ostsee. Ein Leben in Bewegung, zu dem seit neuestem auch der Bootsführerschein zählt und irgendwann vielleicht auch das passende Boot. Bei der Frage, ob die Arbeit in diesem speziellen Museum, das sich immer wieder mit dem Vergehen, der Trauer und dem Verlust befasst ihn verändert habe, denkt Reiner Sörries lange nach. Er werde immer neugieriger, sagt er schließlich. Und manche sagen, er sei härter geworden. Die Neugier nimmt zu Das Museum ist hell und freundlich – aber es erinnert eben auch mit jedem Zentimeter Raum an die Vergänglichkeit. Eine besondere Atmosphäre von Endlichkeit und Wesentlichem entsteht. Das zieht pro Jahr zwischen 20.000 und 25.000 Besucher an. Das Museum ist beliebt und es hat, wie viele Häuser, auch immer Existenzsorgen. Der Direktor wünscht sich für die Zukunft „gesicherte Strukturen“ für das Haus. Das Museum ist sehr beliebt Wir sitzen in seinem Arbeitszimmer im Museum. Es ist wohltuend vollgestopft mit Büchern und Papieren, mit Ordnern und Kisten und Kästchen und ausgestattet mit einem phantastischen Blick über die Stadt Kassel, in die der Theologe und Christliche Archäologe Reiner Sörries vor 22 Jahren zog – aber nicht ganz. Denn ein zweites Standbein ist nach wie vor die Lehrtätigkeit an der Universität in Erlangen. Die Vorteile der Stadt Planungen für seine eigene Bestattung habe er nicht, sagt der Wissenschaftler, damit müssten seine Angehörigen umgehen. Mit Kassel hat er sich mittlerweile gut angefreundet: „Die Stadt ist überschaubar, man hat alles, was man braucht und ein schönes Umfeld.“ Von Petra Nagel
Jérôme Nr. 30
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