Page 10

Jerome_Nr_32

Das Gedächtnis der Stadt Kassel Von Petra Nagel Hans Germandi, 87 Jahre: Überlebender, Zeitzeuge, Stadt-Fotograf, Chronist Der Funker sagt dem 17-jährigen Bergungstaucher Hans Germandi am Morgen des 23. Oktober 1943 nicht, was genau passiert ist. Nur dass Kassel am 22. Oktober schwer bombardiert worden ist, hat er über Radio Norddeich, auf dem Schiff vor der holländischen Küste erfahren. Am nächsten Tag wird der Marinetaucher zum Flotillenchef gerufen. Es habe ein Telegramm von seinem Bruder Heinrich gegeben. Dieser sei bombengeschädigt, er bekäme Sonderurlaub, solle sofort den Seesack packen und nach Kassel fahren. Eine Woche Sonderurlaub. Einzelheiten erfährt Hans Germandi nicht. Fahrt in ein zerstörtes Leben Hans Germandi kommt am 25. Oktober am Bahnhof Wilhelmshöhe an, läuft Richtung Königsplatz. Er sieht seine Stadt in Trümmern liegen. „Verheerend“, sagt der 87-Jährige bewegt. Das Erinnern ist schmerzhaft. Germandi ist ein leidenschaftlicher Fotograf. Das hat er vom Vater geerbt. „Er hat mich immer mitgenommen. Hat überall fotografiert, kannte jeden Winkel in Kassel.“ Dem jungen Marinetaucher Hans Germandi geht es genauso. Er fotografierte vor 70 Jahren das Grauen. Die zerstörte Stadt. „Obwohl es strengstens verboten war.“ Fotografiert trotz strenger Verbote Als er in der Kastenalsgasse ankommt, findet er nur Trümmer. Nur drei Pfeiler stehen noch. Handschriftlich darauf mit Kreide geschrieben die Nachricht: Familie Germandi tot. Er geht zum damaligen 5. Polizeirevier im Renthof und trifft seinen Bruder. Ein Wiedersehen nach zwei Jahren. Mit ihm geht er zum Zeughaus, macht Fotos. Zwei Fahrzeuge fahren vorbei. In einem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der sich das Ausmaß der Zerstörung zeigen lässt. Der junge Marinesoldat Hans Germandi fotografiert und dokumentiert. 10 www.jerome-kassel.de JÉRÔME STADT


Jerome_Nr_32
To see the actual publication please follow the link above