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JÉRÔME STADT Auch mal die leisen Töne wirken lassen Wolfgang Niedecken kommt bei der großen BAP-zieht-den-Stecker-Tour nach Kassel Ein großer Tag für alle BAP-Fans wird der 21. April 2014, wenn die Kölner Band mit einem Unplugged-Konzert im Staatstheater Kassel gastiert. Doch schon jetzt gibt es von Wolfgang Niedecken viel zu hören und zu lesen, denn unlängst legte er ein neues Soloalbum und ein neues Buch vor. Wir sprachen mit dem entspannten Musiker über die documenta, über seinen Schlaganfall vor zwei Jahren und über die große „Niedeckens BAP-zieht-den-Stecker-Tour“, die im März beginnt. Jérôme: Herr Niedecken, da Sie auch Maler sind, eine musikferne Frage: Haben Sie eine Verbindung zur documenta? Wolfgang Niedecken: Ja, ich habe ab der 72er-documenta von Harald Szeemann keine documenta versäumt. Damals war ich noch Kunststudent, später lernte ich viele der amerikanischen Hyperrealisten kennen. Ich war 1974 in New York und wohnte bei Howard Kanovitz, der in Kassel dabei gewesen war. Michael Buthe, der in Köln lebte und mit dem ich befreundet war, hat auch auf der 72erdocumenta ausgestellt. Und von der documenta 1977 ist mir die Honigpumpe von Beuys noch in guter Erinnerung. Jérôme: Wie kam es zu Ihrem neuen Buch „Zugabe: Die Geschichte einer Rückkehr“? Niedecken: Zu meinem 60. Geburtstag erschien „Für ‘ne Moment“, es ist im weitesten Sinne eine Autobiografie, allerdings mit Lücken. Dieses Buch wurde damals nicht geschrieben, um als Nachschlagewerk zu dienen. Es gibt ja Musikerbiographien, die sich von einem Erfolg zum nächsten hangeln. So ein Buch wollten mein Co- Autor Oliver Kobold und ich nicht machen. Es war uns aber bewusst, dass wir einige Lücken bei Gelegenheit mal auffüllen sollten. Doch dann kam mir mein Schlaganfall dazwischen. Also nutzte ich in dem neuen Buch die Gelegenheit, den Schlaganfall mal aus meiner Sicht zu beschreiben. Gerade weil in Boulevard-Zeitungen einiges falsch dargestellt war. Jérôme: Inwiefern? Niedecken: Da wurde dramatisiert, teilweise in absoluter Unkenntnis. Es hieß zum Beispiel, ich hätte zwei Schlaganfälle gehabt und meine Frau habe mich irgendwo bewusstlos gefunden. Das stimmt alles nicht. In Wirklichkeit hatte ich einen Schlaganfall, der durch einen Husten ausgelöst wurde. Zufällig lief ich meiner Frau über den Weg, sie sagte „Wie siehst Du denn aus?“, und ich konnte nicht antworten. Von wegen: Mich hat jemand gefunden oder zwei Schlaganfälle. Die Leute machten sich dermaßen Sorgen um mich, deshalb wollte ich ihnen sagen, wie es tatsächlich war und dass sie sich nicht mehr um mich sorgen müssen. Es ist wirklich alles wieder gut. Jérôme: Im September erschien neben dem Buch Ihr neues Soloalbum „Zosamme Alt“… Niedecken: Es ist ein Konzeptalbum, mit dem ich mich bei meinem Schutzengel bedanke, meiner Frau. Jérôme: Das Album wurde in Woodstock aufgenommen. Warum gerade dieser Ort? Niedecken: Woodstock war eine Idee des britischen Singer-Songwriters Julian Dawson, der ein alter Freund von mir ist. Er meinte, ich solle dort mal ein Album aufnehmen. Ich wusste zunächst gar nicht, warum es unbedingt Woodstock sein sollte. Aber als wir dann da waren, begriff ich: Weil man dort in Ruhe arbeiten kann und zugleich sehr vernetzt ist. Man läuft keinen Trends hinterher, man macht einfach in Ruhe Musik. Eine säkularisierte Kirche in Woodstock war der ideale Aufnahmeort. Sich in den Kreis setzen und Musik machen. So soll‘s sein. Jérôme: Im April kommen Sie mit einem Unplugged Konzert ins Staatstheater Kassel. Macht diese Ruhe den Reiz eines solchen Konzerts aus? Niedecken: Ja, wir müssen ja nicht mehr beweisen, dass wir rocken können, das weiß man mitt- Von Georg Pepl 10 www.jerome-kassel.de lerweile. Auch mal die leisen Töne wirken lassen und eine Geschichte in einem Bogen zu erzählen: Die ganze Band freut sich total, das wir es jetzt endlich machen. Mit dabei haben wir die Multiinstrumentalistin Anne de Wolff und den marokkanischen Percussionisten Rhani Krija, der auch bei Sting spielt und ein Geschenk Gottes ist. Jérôme: Welche Lieder werden zu hören sein? Niedecken: Es wird ein langes, buntes Programm. Es wird für jeden etwas dabei sein, sowohl für die BAP-Aficionados, die alles von uns kennen, als auch für Leute, denen nur die großen Hits bekannt sind. Weil die BAP-Musiker nicht alle in Köln wohnen, verkehren wir momentan über Internet und schicken uns die Arrangement-Ideen gegenseitig zu. Ich komme mir manchmal vor wie der Bundestrainer. Ich habe ein Luxusproblem, ich habe dermaßen viel Repertoire, dass die Auswahl der Stücke nicht gerade einfach ist. www.bap.de Fotos: Matthias Bothor


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