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Manche nennen ihn den „Schriftgott aus Kassel“: Friedrich Forssman 20 www.jerome-kassel.de Foto: Mario Zgoll TOLLE TYPE mit Gangsterlimo Ein Mann macht Bücher. Nein, er schreibt sie nicht (mit Ausnahme einiger Fachpublikationen), er verlegt sie nicht, er druckt sie nicht – er entwirft und gestaltet Bücher in seinem Büro hoch über den Dächern von Kassel. Und zwar gestaltet er nicht etwa nur den Umschlag, wie ich glaubte, als ich an der Tür des schönen alten Hauses oben in Wilhelmshöhe klingelte. Friedrich Forssman ist Typograph und Buchgestalter, er gestaltet das ganze Buch, vom Einband über die Papiersorte, Schrifttypen und Satzspiegel bis zur Art der Bindung. Das Ergebnis nennt sich „Buchkörper“. Und dieser Buchkörper ist im besten Fall nicht irgendwas, in dem wir schmökern, sondern ein Kunstwerk. Wenig überraschend, dass sich unter den von Friedrich Forssman hervorgebrachten Kunstwerken keine der üblichen Bestseller finden: Deren Umschläge sind oft klasse, aber die Buchkörper, na ja, die sind so wie alle anderen des jeweiligen Verlages auch, immer dasselbe Papier, dieselbe Schrift, derselbe Satzspiegel: Massenware eben, die Geld bringen soll. Nicht, dass Forssman etwas gegen die Existenz von Bestsellern hätte. Wie alle, die im Kulturbereich etwas Besonderes machen, glaubt er an Querfinanzierung: Das Geld, das die Masse bringt, soll wenigstens zum Teil in das Seltene fließen; eine Idee, die vor lauter Renditegläubigkeit leider in den Hintergrund getreten ist. Im Suhrkamp Verlag zum Beispiel in die komplett von Forssman gestaltete Kritische Gesamtausgabe der Werke von Walter Benjamin – acht Bände sind bisher erschienen, 21 sollen es werden. Oder die Neugestaltung sämtlicher Bücher der legendären gelben Reihe von Reclam. Übrigens hätte er gar nichts dagegen, auch mal einen Bestseller zu machen, es gab auch Anfragen und Gespräche – aber da Forssman nun mal darauf bestand, das ganze Buch zu machen, schüttelten die Manager entgeistert die Köpfe. Keinen Abschiedsschmerz von der Jugend Was ist das nun für ein Typ (oder eine Type, pun intended), der über die Eigenarten von Schrifttypen reden kann wie ein Molekularbiologe über das Verhalten von Mikroorganismen? Ein weltabgewandter Sonderling? Nun ja ... Jungenhaftes Gesicht, jungenhafter Haarschopf, schlanke Gestalt – intellektuelle Brille, brauner Dreiteiler (richtig, mit Weste), raucht Pfeife. Er hat mit sei- Von Volker Schnell


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