www.jerome-kassel.de 15 sich bereits innerhalb des Prozesses damit auseinandersetzen. Und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Jérôme: Warum ist die Charta für Baukultur für Kassel wichtig? Nolda: Neue Häuser können als Bedrohung empfunden werden. Wir wissen aber, dass es gute Bebauung gibt, die für den jeweiligen Ort eine Bereicherung ist. Das Ziel unserer Charta ist es, zur Diskussion über Baukultur anzuregen und in diesem kulturellen Prozess auch Zielsetzungen, möglichst gemeinsam mit vielen Partnern, festzulegen. Jérôme: Wie viel Individualismus lässt die Charta zu? Nolda: Natürlich gibt es beim Bauen immer ein Interesse an Selbstdarstellung. Wenn ein Bauherr zum Beispiel eine Corporate Identity nach außen tragen will oder er einen bestimmten Geschmack hat, dann ist das ja das eine. Das Haus muss dem Bauherrn selber gefallen, sonst wird er es nicht bauen. Das zweite ist aber, wie es in den städtebaulichen Kontext passt. Wenn ein neues Haus eine besondere Größe hat oder eine besondere andere Situation als die Gebäude in der Nachbarschaft, muss es dafür ja einen Grund geben. Nachgewiesen werden muss dann, dass das im Respekt zur Nachbarschaft geschieht. Jérôme: Wie sehr wirkt sich die Charta als Korsett aus? Nolda: Die Charta ist eine Selbstverpflichtung zu gutem Planen und Bauen. Wenn ein Haus so dominant ist und die Struktur insgesamt so verändert, dass sie nicht mehr tragfähig ist, muss man sich darüber unterhalten, ob man das will. Die Charta ist kein Regelwerk, sondern ein Beispiel dafür, mit welchen Themen man sich auseinandersetzen muss. Erdgeschosszonen zum Beispiel sind Bereiche, in denen ein Gebäude von besonders vielen Menschen wahrgenommen wird. Da will man nicht nur geschlossene Mauern sehen oder Tiefgarageneinfahrten. Es geht um die Frage, mit welchem Respekt die Bauherren und Architekten durch gute Planung den Leuten begegnen, die an dem Haus vorbeigehen. Jérôme: Schränkt die Charta Bauherren also in ihrer Gestaltungsfreiheit ein? Nolda: Das Baurecht macht keine Vorschriften zur Ästhetik eines Gebäudes. Weder die Hessische Bauordnung noch das Bundesbaugesetz sagen etwas darüber. Ob er ein Gebäude schön findet oder nicht, kann letztlich nur jeder Einzelne für sich entscheiden. Wichtig ist: Ein Gebäude muss eine Geschichte erzählen. Bei Neubauten geht es erstmal darum, dass das Haus nicht nur dasteht, sondern auch einen Beitrag für die Umgebung leistet. Und darum dass man als Bauherr und Architekt weiß, dass man in der Verantwortung für das Gesamtbild steht, wenn man in die Stadt eingreift. Das ist nicht selbstverständlich. Die Charta soll deshalb eine Argumentationsreferenz liefern. Wir haben uns gemeinsam auf gewisse Kriterien geeinigt und wollen die künftig konsequenter beachten. Darauf kann man aufbauen. Jérôme: Worüber wird in der Charta gesprochen? Nolda: In der Charta sind die wichtigen Bereiche und Aufgaben der Stadt in ihrer Unterschiedlichkeit benannt. Es wird von Dorfkernen gesprochen, von Qualitäten in der Innenstadt, von Reminiszenzen an die barocke Stadt, vom besonderen Landschaftsbezug innerhalb der Stadt und auch darüber, dass in Kassel diese Bereiche, vor allem durch die Entwicklungen des letzten Jahrhunderts, auch immer mal abrupt enden und anders wieder ansetzen. All das ist in der Charta beschrieben. So ist Kassel in seiner baulichen Struktur aus ihr ablesbar und man gewinnt ein Bild von Kassel, an dem man weiterarbeiten kann. Jérôme: Wie ist die Charta entstanden? Nolda: Das Erarbeiten der Charta war ein gemeinschaftlicher Prozess über einen längeren Zeitraum, der dem kommunikativen Prozess der Baukultur insgesamt entspricht. Es waren insgesamt gut hundert Leute beteiligt, ein Kern aus rund 30 Ehrenamtlichen hat die Charta dann im Detail formuliert. Ganz unterschiedliche Interessengruppen haben gemeinsam hieran gearbeitet und wir hoffen jetzt, dass die Verantwortung der ganzen Stadtgesellschaft für die bauliche Weiterentwicklung Kassels erkannt wird. Das Engagement an dieser Stelle ist sehr groß und die Akteure sind sehr kompetent. Dafür möchte ich mich bei allen, die mitgearbeitet haben, ausdrücklich bedanken. Jérôme: Welche Rolle spielt die Charta für die Bezahlbarkeit von Wohnraum? Nolda: Grundsätzlich keine. Ein Haus, das eine Geschichte erzählt, muss nicht teurer sein als ein anderes. So wie bei einem Buch. Der Buchstabe kostet immer das gleiche, ob die Geschichte gut ist oder nicht. Jérôme: Gibt es innerstädtische Bauprojekte, auf oder über die Sie sich besonders freuen? Nolda: Es gibt eine Vielzahl von Investoren, die in Kassel derzeit Bauwerke errichten. Auch an Stellen, die städtebaulich wirksam sind. Ich freue mich, dass die Entwicklung auf dem ehemaligen Martini-Gelände von Planern betreut wird, die intensiv an der Erarbeitung der Charta beteiligt waren. Auch das documenta-Institut ist ein Projekt, das uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird, ebenso wie das neue Fraunhofer-Institut am Kulturbahnhof. Ein besonderes Projekt ist auch das Hochhaus in der Westendstraße. Weitere gute Beispiele sind die Sanierungen von 50er-Jahre-Gebäuden am Ständeplatz und am Scheidemannplatz unter hoher Beachtung der historischen Grundaussage, auch die 50er-Jahre-Häuser am Graben gegenüber der Markthalle aus dem Bereich der Alltagsarchitektur fügen sich gut in den Kontext ein. JÉRÔME STADT Jérôme Gewinnspiel Gewinnen Sie 5 x 2 Eintrittskarten für das Handballspiel MT Melsungen - TBV Lemgo am 27.05.2017 um 19.00 Uhr in der Rothenbachhalle in Kassel Preisfrage: Wann wurde der Herkules fertig gestellt? Lösung bitte an: matthias.eisenhuth@bernecker.de oder an A. Bernecker Verlag GmbH, z. Hd. Herrn Eisenhuth, Unter dem Schöneberg 1, 34212 Melsungen. Einsendeschluss ist der 17.05.2017
2017_S00002_00044
To see the actual publication please follow the link above