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8 www.jerome-kassel.de Katharina Greve – Architektur im World Wide Web Die Berliner Künstlerin Katharina Greve arbeitete von 2015 bis 2017 an einem echten Mammutprojekt: Es entstand der Webcomic „Das Hochhaus“, dem die Berlinerin jede Woche ein neues Stockwerk hinzufügte. Bereits 2016 erhielt sie hierfür den „Max-und-Moritz Preis“ in der Kategorie „Bester deutschsprachiger Comic-Strip“. Im September 2017 wurde der auf www.das-hochhaus.de zu verfolgende Bau nun mit der 102. Etage fertiggestellt – ein Projekt, für das Greve prädestiniert war, hat sie doch vor ihrer Arbeit als freischaffende Künstlerin und Autorin Architektur studiert. Buch als Rolle Die Einzigartigkeit des „Hochhauses“ besteht darin, dass Greve die potenzielle Unendlichkeit des World Wide Webs nutzt, um ihre „102 Etagen Leben“ scrollbar in Szene zu setzen. Nicht ohne Grund bezeichnet Thomas von Steinaecker das Projekt in der Süddeutschen Zeitung als „eines der originellsten Werke der Neunten Kunst (= Comic, Anm. d. Red.)“. Nachdem das Hochhaus bereits im September in Buchform erschienen war, folgte im Oktober eine Veröffentlichung als „Buchrolle“ – ein gelungener Versuch der Übertragung des digitalen Prinzips ins Analoge. Ohne Vorbild im Witz „Einzigartig im Strich, ohne Vorbild im Witz und von makelloser Eleganz in der Ausführung – das ist die Cartoonkunst der Katharina Greve“, so fasst es der ehemalige Titanic-Chefredakteur Leo Fischer zusammen. Für ihre Arbeiten erhielt sie 2010 als erste Frau den „Deutschen Cartoonpreis“, 2013 folgte der „Sondermann Förderpreis“. Zuletzt belegte sie im Oktober 2017 noch einmal den 3. Platz beim „Deutschen Cartoonpreis“. Eine Angemessene Würdigung von Greves Fähigkeit, in ihren Cartoons und Comics ganz eigene Kosmen zu erschaffen. Eigene Planeten Eigene Planeten jedenfalls erschafft Greve im wahrsten Sinne des Wortes: Seit 2015 erscheint etwa ihre Comic-Serie „Die dicke Prinzessin Petronia“ in Das Magazin. Hierin fristet die Cousine des „Kleinen Prinzen«“ von Antoine de Saint- Exupéry „outgesourct von den eigenen Eltern“ ein Leben in Einsamkeit auf einem winzigen Planeten, viel kleiner als der ihres Cousins. In der taz konnte man im Jahr 2016 „Die letzten 17 Tage der Plüm“ erleben, ungeschlechtliche Kopffüßler vom Planeten Plümos, deren Existenz plötzlich von einem roten Punkt bedroht wird. Globalisierung der Unterwelt In „Hotel Hades“, ihrer zuletzt erschienen Graphic Novel, spinnt Greve wiederum die antike Vorstellung des Jenseits weiter. Dort hat sich in den letzten Jahrtausenden einiges getan, wie Martha, Florian und Peter feststellen müssen, nachdem sie vor einer Imbissbude erschossen wurden. Denn die Globalisierung hat auch vor der Unterwelt nicht haltgemacht: Hades, Totengott und Herrscher über die Unterwelt in der griechischen Mythologie, hat die Verwaltung der Toten für alle Götter, sprich Religionen, der Welt übernommen. Um diese Aufgabe zu bewältigen, entstand ein riesiger bürokratischer Apparat, aus dessen Mühlen es kein Entrinnen gibt. Heiliger Strohsack Ein spezieller Greve-Cartoon erhielt außerordentliche Aufmerksamkeit, nachdem Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013 seinen Rücktritt verkündet hatte. Die Zeichnung war in einem Abreißkalender der Cartoon für den Tag vor Benedikts Ankündigung. Der Papst bemerkt darin, dass er im Lotto gewonnen hat und denkt: „Heiliger Strohsack! Morgen kündige ich!“ In den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter wurde das prophetische Bild binnen Stunden mehrere tausend Mal geteilt. Viele Medien berichteten darüber, auch in den USA („Holy straw sack! Tomorrow I quit!“), Ungarn und Russland. Beste Bilder – Die Cartoons des Jahres 2017 Ausstellung: 9. Dezember 2017 bis 18. Februar 2018 Eröffnung : 8. Dezember 2017, 19.30 Uhr Öffnungszeiten Di bis Sa 12 bis 19 Uhr und So, feiertags 10 bis 19 Uhr Ort Caricatura – Galerie für Komische Kunst im KulturBahnhof, Rainer-Dierichs-Platz 1, 34117 Kassel www.caricatura.de JÉRÔME CARICATURA


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