Zone der Illusionen – Kassel aufgebaut, dann abserviert: Architekt Paul Bode

Das erste Kasseler Parkhochhaus, die „Centrum-Garagen“ am Anfang der Neuen Fahrt, nach einem Entwurf von Paul Bode. Foto: Stadtarchiv Kassel

Das erste Kasseler Parkhochhaus, die „Centrum-Garagen“ am Anfang der Neuen Fahrt, nach einem Entwurf von Paul Bode. Foto: Stadtarchiv Kassel

Frankfurt hat eine, und auch Kassel sollte eigentlich endlich eine haben: eine Paul-Bode-Straße. Während diese in Frankfurt an den von 1901 bis 1917 dort tätigen Direktor der Klinger-Oberrealschule erinnert, könnte das Kasseler Pendant den Namen eines seiner bedeutendsten Architekten im öffentlichen Bewusstsein bewahren – wenn schon andere, dafür in Frage kommende Optionen in der Vergangenheit leichtfertig ausgeschlagen wurden. Nicht einmal ein Ehrengrab war Paul Bode (1903-1978) der Kasseler Stadtverordnetenversammlung wert, als diese Entscheidung Ende 2004, kurz vor der endgültigen Einebnung seines Grabes, drängend anstand, beantragt von Gisela Schmidt (FDP). Während die SPD sich vornehm enthielt, fühlte sich die CDU zu sehr unter Zeitdruck gesetzt und die Grünen, vertreten von Klaus Ostermann, sahen Bodes Verdienste durch seinen Ausschluss aus dem Bund Deutscher Architekten (BDA), der 1955 ausgesprochen, Mitte der 1970er Jahre indes wieder zurückgenommen wurde, zu stark in Frage gestellt. Und das obgleich ihm, dem jüngeren Bruder von documenta-Gründer Arnold Bode, 1975 in Anerkennung seiner Verdienste um Kassel zumindest die Stadtmedaille verliehen worden war.

Als Avantgardist gefeiert
Diese ist jedoch nicht sonderlich erinnerungsintensiv, und als einzige Würdigung wird sie dem Wirken des weit über die Grenzen Kassels hinaus wahrgenommenen Architekten kaum gerecht, über den etwa der SPIEGEL 1953 schrieb, er werde „als Avantgardist gefeiert“. Insbesondere mit seinen Kinobauten machte Paul Bode in diesen Jahren auf sich aufmerksam, zu denen neben dem „Alhambra“ in Mannheim, dem „Tivoli“ in Wetzlar, dem „Atlantik-Palast“ in Nürnberg sowie dem „Europa“ in Duisburg die Kinos „Capitol“, „Cinema“, „Bambi“ und „Kaskade“ in Kassel gehörten. Über Letzteres schrieb der SPIEGEL, fast ehrfürchtig: „Während der Aufwärtsbewegung der Lichteffekte öffnet sich der Vorhang, der Projektor holt aus der Tiefe des abgedunkelten Leinwandraumes – Bode nennt ihn die ,Zone der Illusionen‘ – langsam das erste Bild nach vorn ins volle Licht.“ Darüber hinaus erregte der Architekt auch Aufsehen mit dem Bau des ersten Kasseler Parkhochhauses, den „Centrum-Garagen“ am Anfang der Neuen Fahrt, deren neues rampen- und aufzugloses System er sich patentieren ließ, entstanden in einer „Volk ohne Parkraum“-Zeit, in der Bode im SPIEGEL 1955 zitiert wird mit den Worten: „Der Mensch ist heute nicht mehr einen halben, sondern zwölf Quadratmeter groß“ – dies seine Ableitung von der Grundfläche eines mittelgroßen parkenden Autos. „Man hätte aber 1945 ein Prophet sein müssen“, so der Architekt weiter, „um nach dem verlorenen Krieg eine derart rasante Verkehrsentwicklung vorauszuahnen. Das deutsche Wirtschaftswunder kam zu schnell.“

Gesicht des Nachkriegs-Kassels geprägt
Für Paul Bode kam es gerade recht, um das Gesicht des Nachkriegs-Kassels zu prägen wie kein Zweiter. Schier endlos ist die Liste der für damalige Verhältnisse extrem progressiven Architekturentwürfe, die er hier umgesetzt hat, von öffentlichen und privaten Wohnungsbauten bis hin zu Industrie- und Geschäftsgebäuden wie auch Hotels, darunter das Parkhotel Hessenland, das Hotel Reiss wie auch das Schlosshotel Wilhelmshöhe. Zum Verhängnis wurde ihm schließlich die Annahme eines von der Hessischen Landesregierung unter Georg August Zinn (SPD) vergebenen geheimen Auftrages für einen Gegenentwurf zum Neubau des Kasseler Staatstheaters, das eigentlich nach dem Siegerentwurf des Architekten Hans Scharoun, unter anderem Architekt der Berliner Philharmonie, hätte gebaut werden sollen. Scharoun brachte Bode daraufhin vor Gericht und dessen Reputation ging zu Bruch, auch wenn das neue Theater dennoch nach Bodes Vorstellungen entstand. Benutzt und dann schutzlos im Regen stehen gelassen – so erlebte Paul Bode schließlich die Entzauberung seiner ganz persönlichen „Zone der Illusionen“.

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