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825 Jahre Stadt Melsungen

MELSUNGEN lohnt sich „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name Von Dr. med. Renate Mahler-Heckmann Als ich in Bad Wildungen an einer Fortbildung teilnahm, fiel mein Blick unerwartet auf eine im Gehweg eingelassene kleine Messingplatte mit 10 Zentimeter Kantenlänge. Ich beugte mich hinunter und las die Kurzbiographie eines Opfers des Naziregimes. Dieser Gedenkstein war der Impuls, mich dafür einzusetzen, dass sich Melsungen an dem europaweiten Mahnmal des Künstlers Gunter Demnig beteiligt. Derzeit arbeiten (Januar 2015) 50.000 Stolpersteine in 1.300 Gemeinden gegen das Vergessen. Dies ist auch die Intention des Künstlers, der sagt: „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Stolpersteine erinnern Die Zahlen und Fakten waren dank des Engagements unserer aktiven Mitglieder schnell zusammengetragen. In Melsungen lebten bis zur Machtergreifung des Naziregimes 62 jüdische Bürger in 64 825 Jahre Stadt Melsungen vergessen ist“ enger Nachbarschaft mit den nichtjüdischen Einwohnern. Aber wir hatten zunächst nur ihre Namen. Heute erinnert jeder Stolperstein an die dahinter verborgene Lebensgeschichte dieser Menschen, die wir uns durch Befragung der wenigen noch lebenden Zeitzeugen und durch Recherche in Archiven erschließen konnten. Mit zwei Stolpersteinen erinnert die Stolpersteininiative zum Beispiel an Siegfried und Fanny Abt, die Großeltern des noch heute in Melsungen lebenden Günter Heerdt. Günter Heerdt musste als Kind in der Pogromnacht am 8. November 1938 an der Hand seiner jüdischen Mutter Senta aus Melsungen flüchten. Sie konnte als Einzige der jüdischen Einwohner die Schreckensherrschaft in Melsungen überleben, weil ihr Mann Christoph Heerdt lieber seinen Vorsitz des Fußballvereins MFV 08 aufgab, als seine große Liebe zu verraten. Im Telefonat mit Günter Heerdt erfuhr ich, dass seine Großeltern am 7. September 1942 von Kassel nach Theresienstadt deportiert wurden. Siegfried Abt starb am 10. Januar 1943 in Theresienstadt, Fanny Abt wurde am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Senta Heerdt überlebte mit ihrem Sohn Günter in Melsungen. In den letzten Kriegstagen wurden sie von mutigen Bürgern versteckt und damit ihr Leben gerettet. Inzwischen 48 Stolpersteine in Melsungen Nur durch die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb unserer Initiative erreichten wir unser Ziel. Am 28. April 2008 konnten die ersten elf Stolpersteine in Melsungen von Gunter Demnig einzementiert werden. Inzwischen erinnern 48 Stolpersteine an die Opfer des Naziregimes. Die jüdischen Bürger, die rechtzeitig von Künstler Gunter Demnig und die Vorsitzende der Stolperstein-Initiative Melsungen, Dr. Renate Mahler-Heckmann bei der 5. Stolpersteinlegung in 2013 Fotos: Dr. Renate Mahler-Heckmann


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