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Wo einst Kassels Kultur einen festen Platz hatte, stehen jetzt nur noch Ruinen. Aus dem Kulturdenkmal Salzmann, einst Symbol gesunder Wirtschaft und später gesunden Kulturtreibens, wurde ein Spielball, aufgerieben zwischen finanzieller Zockerei und Entscheidungsunfähigkeit. Die letzten Mieter sind vor einigen Monaten ausgezogen, und nur ab und an zieht das Leben auf dem verlassenen Grundstück ein – wenn die Polizei kommt und wieder einmal ein paar Metalldiebe festnimmt. Einbrechen als Routinesport „Das ist aber nichts Besonderes, das geschieht so 30 bis 40 Mal pro Jahr; das hat auch die Stadt jetzt öffentlich bestätigt.“ Ziel der Einbrecher sei oft Metall, das sich leicht zu Geld machen ließe. „Beschaffungskriminalität halt.“ Der das sagt ist Oliver Leuer. Er ist eines der Gesichter Salzmanns, untrennbar verbunden mit fast 30 Jahren, in denen Kultur und Subkultur in den alten Wänden blühte, als gemeinnütziger Verein, mitfinanziert von der Stadt Kassel, 36 www.jerome-kassel.de Noch geht es an der Endstation Kulturfabrik Salzmann – Ein Ist-Zustand ohne echte Perspektive Von Ralph-Michael Krum betrieben mit viel Engagement und Herzblut. Der 51-Jährige ist noch immer bei der Kulturfabrik Salzmann angestellt, mit dem Gebäude an der Sandershäuser Straße hat der Verein nichts mehr zu tun. Im September 2012 musste die Kulturfabrik ausziehen, hat jetzt Büro und Lager im Kupferhammer, veranstaltet dort auch weiterhin, wenn auch in deutlich kleinerem Rahmen. Die Perspektive war da Im April 1987 war das ganz anders. Die documenta 8 stand vor der Tür, die sich in diesem Jahr mit einer halben Million Besucher endgültig zum kulturellen Massenereignis entwickeln sollte. In diesem Umfeld taten sich Maler, Musiker und Schauspieler zusammen und gründeten einen gemeinnützigen Verein. Zum einen, so die Idee, könne damit das leer stehende Industriedenkmal Salzmann sinnvoll genutzt und zum anderen ein Forum für Kunst und Kultur geschaffen werden, das auch der Entwicklung des Stadtteils zugutekommen könnte. Aus der Idee wurde ein Erfolg. Amateur- und Jugendtheater fanden an der Sandershäuser Straße ein Zuhause, mehr als 15.000 Besucher kamen jährlich zu den unterschiedlichsten Veranstaltungen. Eine Musikbühne machte die Förderung des musikalischen Nachwuchses möglich, Ateliers, ein Café, eine eigene Ausstellungshalle und vieles mehr machten die Fabrik für Oliver Leuer und die bis zu 30 Angestellten, die befristet über die Arbeitsförderung dort tätig waren, perfekt. „Das waren vielleicht die besten Jahre“, erinnert sich Oliver Leuer. „Damals hat sich die Disco in der Factory richtig gut entwickelt, und damals haben wir alle fest an eine Zukunft geglaubt.“ Hinzu kam ein glückliches Händchen bei der Buchung vieler Künstler. „Grandios war beispielsweise, dass wir die Fantastischen Vier für eine Gage von 800 Euro verpflichten konnten.“ Oder auch den Comedian Martin Schneider, den Maddin. „Der war damals noch weitgehend unbekannt, und so haben wir ihn für ganz kleines Geld bekommen.“ Foto: Mario Zgoll


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