Page 28

Jerome_Nr_36

JÉRÔME REGION Lucius Burckhardt Convention Nur selten war ein wenig Pathos so angebracht: Knapp elf Jahre nach seinem Tod am 26. August 2003 ist im Hörsaal der Kunsthochschule Kassel mit der »Lucius Burckhardt Convention« ein Gelehrter, ein Visionär, ein Einmaliger geehrt worden, der Kassel ein Vierteljahrhundert lang auf vielfältige Weise eng verbunden war. Acht Vortragende aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz erinnerten in ihren 28 www.jerome-kassel.de Beiträgen an sein Lebenswerk und zeigten dessen ungebrochene Strahlkraft auf, die insbesondere nachwachsenden Studentengenerationen immer wieder neue Perspektiven eröffnet. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Künstlerin Annemarie Burckhardt, mit der er bereits seit 1955 eng zusammenarbeitete – beiden wurde 1994 der »Kulturpreis des Landes Hessen« verliehen –, wirkte Prof. Dr. Lucius Burckhardt von 1973 bis 1997 im Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel, von wo aus er sich zudem immer wieder in aktuelle Fragen zur lokalen Architektur-, Stadt- und Landschaftsgestaltung einschaltete wie auch zum Kasseler Kulturgeschehen, etwa der documenta X von 1997, deren Leiterin Catherine David wie auch das von ihr vertretende Ausstellungskonzept er einer äußerst kritischen Bewertung unterzog. Warum ist Landschaft schön? Als professioneller »Suchender« hatte der 1925 in eine prominente Schweizer Gelehrtenfamilie geborene Soziologe zunächst Medizin, dann Volkswirtschaft wie auch Kunstgeschichte und Philosophie studiert, bevor er sich – nach zwei Jahrzehnten an der Spitze des Deutschen Werkbunds, wo er als Redakteur von deren Zeitschrift »Werk« tätig war – auf die Stadt- und Landschaftsplanung konzentrierte. Der von ihm propagierte »offene Blick«, das Vermeiden der Reißbrettperspektive, gipfelte in der Begründung der Promenadologie, der sogenannten Spaziergangswissenschaft, unter deren Banner er mit seinen Studenten die Stadt erforschte, auch ihre vielen Nischen und leicht unbeachtet bleibenden Randerscheinungen, um so ein komplexeres Empfinden für das zu erlangen, was alltägliche Lebensumwelt ausmacht und inwiefern diese bei jedem Planungsentwurf berücksichtigt werden sollte. Wie vor dem voll besetzten Auditorium der Kunsthochschule unter anderem von Verleger und Symposiumsorganisator Martin Schmitz wie auch »Spaziergangsforscher« Bertram Weisshaar – beides Burckhardt-Schüler – hervorgehoben wurde, haben die von Lucius Burckhardt aufgeworfenen Fragen und Formeln wie »Wer plant die Planung?«, »Warum ist Landschaft schön?«, »Design ist unsichtbar«, »Durch Pflege zerstört« oder »Der kleinstmögliche Eingriff« nach wie vor nichts von ihrer Aktualität verloren. Links: Im Hörsaal der Kunsthochschule aufgenommen Mitte 1997, kurz vor seinem Abschied aus Kassel: Prof. Dr. Lucius Burckhardt (1925–2003) Rechts: Das komplette Organisationsteam der von Verleger und Gast-Professor Martin Schmitz (Bildmitte) initiierten »Lucius Burckhardt Convention« beim Abschluss-Apéro des zuvor neun Stunden währenden Symposiums Mit geschärftem Blick Von Jan Hendrik Neumann Fotos: Jan Hendrik Neumann, Markus Frohme


Jerome_Nr_36
To see the actual publication please follow the link above