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Sigis Bär für Robert In Kassel ist er bereits, in Göttingen soll er kommen. Pardon: Nach Göttingen soll er kommen, muss es selbstverständlich heißen. Die Rede ist vom Kragenbär. Einem gezeichneten. Aus der Feder des vor acht Jahren verstorbenen Karikaturisten Robert Gernhardt stammt der unscheinbare Bär, und ihn bringt in die bundesdeutschen Schlagzeilen, dass er etwas tut, was man nicht sieht. Er onaniert. Sagt Gernhardt. Der Kasseler Künstler und Bildhauer Sigi Böttcher möchte ihn als Denkmal in Göttingen sehen, doch Göttingen zierte sich. Bis Mitte September. Nun will Göttingen ihn doch. Wenn das nötige Geld kommt. Erst einmal: nur ein Bär Wer auf dem Vorplatz des Kasseler Kulturbahnhofs steht, der sieht an dessen Außenwänden ein Transparent. Mehrere gezeichnete Protagonisten der Caricatura sind dort zu sehen, aus einer Ecke lugt, fast verschämt, auch besagter Kragenbär. Einen Grund zum verschämt schauen gibt es für den 28 www.jerome-kassel.de Pelzträger eigentlich nicht, denn wer Gernhardts Gedicht zum Thema nicht kennt, der sieht eben nur, was er sieht. Einen Bären. Nicht mehr und nicht weniger. Es sind erst Gernhardts Reime, die Brisanz in die Sache brachten. „Der Kragenbär / der holt sich / munter / einen nach / dem andern / runter.“ So textete der Karikaturist, der erst spät als ernstzunehmender Literat von der Öffentlichkeit wahrgenommen und schließlich verdientermaßen mit Preisen ausgezeichnet wurde. Textete und stellte sechs Bildchen dazu, in denen man nur eines sah: Bär von hinten. Freier Blick auf die Onanie: Fehlanzeige. Und eben jener Bär sollte den Robert-Gernhardt- Platz in Göttingen zieren. Bärige Politikermeinungen Dann aber kamen die Politiker. Kulturdezernentin Dagmar Schlapeit-Beck war ebenso wie CDURatsherr Wilhelm Gerhardy der Meinung, der Bär habe keine Botschaft als eben den sexuellen Tabubruch und gehöre aus diesen Grund nicht verewigt. Zudem fand die CDU den onanierenden Bären zu anstößig, die Grünen sahen zu viele Assoziationen, die geweckt würden. Von Ralph-Michael Krum JÉRÔME FEUILLETON Kasseler Künstler Sigi Böttcher schuf das Modell für den berühmten Kragenbären, der in Göttingen als Skulptur stehen soll Fotos: Mario Zgoll Sigi Böttchers Kragenbär – hier ganz in Ton


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