„Ich liebe Norma“ 26 www.jerome-kassel.de JÉRÔME FEUILLETON Die Sopranistin Hulkar Sabirova stammt aus Usbekistan und absolvierte ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim. 2009 kam sie als Stipendiatin an die Deutsche Oper Berlin, wo sie seit 2010 als festes Ensemblemitglied engagiert ist. Seit der Spielzeit 2013/14 gehört Hulkar Sabirova auch dem Opernensemble des Staatstheaters Kassel an. Hier beeindruckte sie bereits mit so unterschiedlichen Rollen wie Königin der Nacht („Die Zauberflöte“), Rosalinde („Die Fledermaus“) und der Titelpartie von Glucks „Iphigénie en Tauride“. Derzeit singt Hulkar Sabirova am Staatstheater Kassel die Titelpartie in Vincenzo Bellinis Belcanto-Oper „Norma“. Wir trafen die Koloratursopranistin zu einem Gespräch in der Theaterkantine und erlebten eine vielseitig interessierte Künstlerpersönlichkeit, die über die Oper ebenso temperamentvoll spricht wie über den Schriftsteller Hermann Hesse und Kassels grüne Ecken. Jérôme: Frau Sabirova, vor einigen Monaten hatten Sie Gastauftritte in der berühmten Arena von Verona. Was war das für eine Erfahrung? Hulkar Sabirova: Es war sehr, sehr schön, aufregend und spannend. Ich gab im Sommer mein Debüt als Rosina in Rossinis „Il barbiere di Siviglia“. Rosina ist eine meiner Traumpartien, und dann singe ich sie gleich in der Arena von Verona! Man hat diese große Bühne mit tausenden Menschen, und man weiß, dass dort bedeutende Sänger aufgetreten sind. Ich habe mich ein Jahr intensiv darauf vorbereitet, denn es ist eine echte Herausforderung, Belcanto-Partien in Italien zu singen. Man muss sie so darbieten, wie sie in der Heimat des Belcanto erwartet werden. Jérôme: Nun singen Sie in Kassel wieder Belcanto, und zwar Bellinis „Norma“. Was reizt sie an der Figur der Norma? Sabirova: Norma ist eine der komplexesten Figuren der gesamten Operngeschichte. Sie ist Druidenpriesterin und Geliebte eines Römers, sie ist Mutter und eine Frau mit Verantwortung, aber sie steht vor einem Abgrund, und ihr Leben fällt auseinander. Ich liebe Norma, weil diese Partie unglaublich viele Farben und Facetten enthält. Jérôme: Sogar Richard Wagner liebte dieser Oper… Sabirova: Die Instrumentierung ist nicht so kompliziert wie später bei Wagner. Aber jede Note hat gleichsam einen vier Meter tiefen Raum, weil so viel drinsteckt. Beim Zuhören können die Menschen in Trance fallen. Jérôme: Sie gehören als festes Ensemblemitglied sowohl dem Staatstheater Kassel als auch der Deutschen Oper Berlin an. Was singen Sie in dieser Spielzeit in beiden Städten? Sabirova: In Kassel singe ich nach Norma die Konstanze in der Mozart-Oper „Die Entführung aus dem Serail“, die im Juni 2016 Premiere hat. Außerdem bin ich beim Kasseler Neujahrskonzert dabei. In Berlin singe ich die Königin der Nacht und Donizettis Lucia di Lammermoor. Anfang November habe ich in der Berliner Philharmonie zwei Konzerte mit dem Verdi-Requiem, einem ergreifenden Werk. Da muss man aufpassen, nicht zu emotional zu werden. Auch in „Norma“ gibt es viele Stellen, von denen man so ergriffen wird, dass man sich sagt: Du bist nicht das Publikum, du musst arbeiten und kontrolliert bleiben. Jérôme: Sie haben in Mannheim studiert. Warum haben Sie Deutschland für ihr Studium gewählt? Sabirova: Für die Oper ist es wichtig, eine vielseitige Ausbildung zu haben. Ich kam nach Deutschland, um die ganze Bandbreite der Kultur zu studieren. Als Opernsänger muss man auch Instrumentalmusik kennen, man muss das Lied kennen, man muss Schauspielen lernen, und man muss nicht zuletzt Sprachen kennen. Ich profitiere immer noch von meinem Studium in Mannheim. Ich übernehme viel vom Liedgesang, denn ich denke bei meinen Operndarbietungen weniger in großen Massen als in Nuancen. Jérôme: Sie haben gerade erwähnt, dass Sänger Sprachen beherrschen müssen. Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? Sabirova: Unlängst las ich Herrmann Hesses „Narziß und Goldmund“, jetzt lese ich Hesses „Steppenwolf “. Jérôme: Noch eine Frage zu Kassel: Wie gefällt es Ihnen hier? Sabirova: Ich fühle mich sehr wohl in Kassel. Die Stadt hat eine fantastische Natur und wunderbare grüne Ecken. Der Bergpark in Wilhelmshöhe ist so schön, und ich freue mich auch auf die Cranach-Ausstellung im Schloss, die ich noch besuchen werde. Ich liebe die Natur. Aus Ausflügen in die Natur schöpfe ich meine Kraft und meine Inspiration. Wo kann man am besten lernen? Man setzt sich mit Noten unter einen Baum und lernt. www.staatstheater-kassel.de Hulkar Sabirova ist eine vielseitig interessierte Künstlerpersönlichkeit Foto: N. Klinger Hulkar Sabirova singt am Staatstheater die Titelpartie in Vincenzo Bellinis berühmter Belcanto-Oper Von Georg Pepl
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