www.jerome-kassel.de 31 JÉRÔME FEUILLETON Gut gelaunter Mittfünfziger: Professor Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Kasseler Uni Hessen war ja mal das einzige SPD-regierte Flächenland, ein roter Leuchtturm im schwarzen Meer. Schroeder lacht. „Ja, das Gegenmodell zur Adenauer Republik. Und ein Experimentierfeld. Hier gab es die erste rot-grüne Regierung, jahrzehntelang standen sich ein schwarz-gelbes und ein rot-grünes Lager unversöhnlich gegenüber. Zentrale Konflikte sind in unserem Bundesland sozusagen stellvertretend für die ganze Republik ausgetragen worden. Jetzt haben wir, nach der Pleite in Hamburg, die erste schwarz-grüne Landesregierung, die funktionieren könnte. Ob dieses Bündnis die Blaupause für eine schwarz-grüne Bundesregierung darstellt, ist noch offen. Dann hätte Hessen erneut die Republik geprägt.“ Nicht von Gesellschaft abkoppeln Der andere Bereich ist das Beobachten von gesellschaftlichen Veränderungen und das Entwickeln von sozialen Ideen. „Der Staat hat sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten jeder Menge Aufgaben, aber auch jeder Menge Ressourcen entledigt. Denken Sie nur an die Energie, die Bahn, den Wohnungsbau. Da müssen wir aufpassen. Die staatliche Handlungsfähigkeit muss erhalten bleiben. Die Staatlichkeit darf sich nicht von der Gesellschaft abkoppeln. Der Markt sollte stärker in Staat und Gesellschaft eingebettet werden.“ Vorsorgender Sozialstaat Aus solchen Beobachtungen und Überlegungen hatWolfgang Schröder hier in Kassel sein eigentliches Baby ausgebrütet: den vorsorgenden Sozialstaat, der 2007 als Konzept sogar Eingang ins Grundsatzprogramm der SPD fand. „Es geht darum, nicht nur die Auswirkungen sozialer Notlagen abzufedern, also Nachsorge mit Geld, sondern die Menschen soweit wie möglich dabei zu unterstützen, ihre eigenen Talente zu entwickeln, umihre Situation selbst in den Griff zu kriegen. Und dann kommt der handlungsfähige Staat wieder ins Spiel. Denn um frühzeitig darauf hinzuwirken, dass Bildung und Gesundheit gefördert werden, braucht man eine gute Infrastruktur; besonders professionelle Helfer. Das gilt übrigens auch für die neue Herausforderung bei der Asyl- und Einwanderungspolitik.“ Von Uckermärker Sportplatz bis EU-Kommission Das führte 2009 zu einem Anruf des damaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, und der Professor aus Kassel fand sich plötzlich für fünf Jahre in Potsdam wieder, als Staatssekretär im Arbeitsministerium. „Das war atemberaubend gut“, sagt er. „Sie sind auf einmal für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zuständig, die sich zwischen Anforderungen auf einem Uckermärker Sportplatz bis zur EU-Kommission in Brüssel abspielt.“ Tatsächlich konnte Wolfgang Schroeder viele Ideen umsetzen, von der Betreuung Schwangerer, die sich vielleicht zu Problemmüttern entwickeln könnten, oder einem „Konzept Türöffner“, um Arbeitslosen zweite, dritte Chancen zu verschaffen. „Aber das Problem ist natürlich immer das Geld. Einmal sind wir beim Europäischen Sozialfonds in allen möglichen Prüfkategorien durchgefallen, auf einmal war eine Viertelmilliarde Euro vorübergehend durch den Landeshaushalt vorzufinanzieren. Ich rannte zu meinem Minister und sagte: Wir müssen handeln! Er sagte: Was heißt wir? Du!“ Er hat gehandelt und das Problem gelöst.
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