www.jerome-kassel.de 25 Küster: Das wird es wohl in dieser Größenordnung nie mehr geben. Aber damit wurde das Fundament gelegt, um diesen ganzen Plan in Gang zu setzen und ihm auch eine Solidität zu verleihen. Hätte man jedes Einzelprojekt anmelden müssen, wäre das unmöglich gewesen. Die Investition war politisch abgesegnet und verkündet, und damit hatte man eine gewisse Planungssicherheit. Jérôme: Aber auch eine enorme Verantwortung. Küster: Ja, der Kuchen wird nicht größer, und Sie müssen immer wieder neue Stücke herausschneiden. Das Staatliche Baumanagement, heute LBIH, hat als Partner bewundernswert und zuverlässig funktioniert. Es gab keinerlei Abstriche in der Qualität und keine Kompromisse, die dem gesamten Projekt hätten schaden können. Jérôme: Welches Teilprojekt lag Ihnen besonders am Herzen? Küster: Mein Favorit ist die Löwenburg. Sie ist ein exotisches, eigentlich unmögliches Bauwerk, das aber trotzdem Wirklichkeit geworden ist. Der Gedanke, dass man im 19. Jahrhundert eine Burg nach mittelalterlicher Vorstellung plant und schließlich auch hinstellt, aus Vergnügungssucht oder warum auch immer, hat etwas Beeindruckendes. Parallelen sucht man in vergleichbarer Form vergeblich. Es ist schon etwas merkwürdig, um nicht zu sagen bizarr, dass sich ein hessischer Landgraf, den nicht gerade ein überschäumendes Temperament auszeichnete, in Sichtweite seiner Residenz ein Liebesnest hinsetzt, auch, um sich zurückzuziehen und einsam in der Vergangenheit zu schwelgen. Aber je mehr man über diesen Bau und seine Geschichte weiß, desto faszinierender wird er. Jérôme: Was waren für Sie die wichtigsten Meilensteine in Kassel? Küster: Da kann man immer noch mal auf das Welterbe-Thema zurückgehen, aber dazu ist vielleicht genug gesagt. Ich bin seit Marburger Studienzeiten sehr vertraut mit den Kasseler Sammlungen, vor allem mit der Neuen Galerie. Deren unzulängliche bauliche Qualität habe ich immer bedauert, die Bilder litten unter den dunklen Farben und der Tristesse im Innern. Gerade dieses Haus mit seiner wertvollen Sammlung neu aufzustellen und wieder einrichten zu können, in der klaren, hellen Atmosphäre einer modernisierten Architektur, das war für mich ein Hochgenuss. Jérôme: Fällt es Ihnen schwer, jetzt im Ruhestand zu sein? Küster: Ich bin ständig unterwegs, frage heute aber niemanden mehr. Man ist in dieser Situation viel mehr Herr der eigenen Zeit. Ich lehre in Osnabrück, betreue Dissertationen, plane Buchprojekte und Ausstellungen und kann es mir leisten, Dinge gleichzeitig in Norddeutschland und in Süddeutschland anzupacken. Ich muss nur vom einen zum anderen Ort fahren, aber die Zeit bestimme ich selbst. Jérôme: Was wird Ihnen besonders fehlen? Küster: Die Menschen. Ich habe 25 Jahre lang Museen geleitet, und dieses vertraute Kommunizieren von morgens bis abends, weil man keine einsamen Entscheidungen trifft, sondern den Austausch pflegt und die Dinge bespricht, das vermisse ich schon. Jérôme: Sie haben immer sehr eng und vertrauensvoll mit ihren Mitarbeitern zusammengearbeitet, das merkt man. Küster: Ich glaube, das ist sehr entscheidend für das innere Klima. In einer kleineren Einrichtung ist es natürlich einfacher, das so zu machen. Ich habe angefangen mit vier Mitarbeitern, dann waren es 60, dann 280. Ich habe mir aber einen ganz antiautoritären Führungsstil erhalten können, habe nie einen Mitarbeiter beschimpft oder bin laut geworden. Selbst, als vor meinen Augen ein Hausmeister ein Kunstwerk irreparabel zerstört hat. Das war nicht hier in Kassel und es war auch einfach eine Tollpatschigkeit, ein wirklicher Fehltritt. Aber wenn Sie sich in so einer Situation falsch verhalten, überschreiten Sie eine Schwelle, hinter die Sie nicht wieder zurückkommen. Und das wollte ich niemals riskieren. Ich bin davon überzeugt, dass Museen heute nur im kollegialen Kollektiv funktionieren, nicht über Einzelpersonen, die meinen, sich selbst verwirklichen zu müssen. Ich halte es für falsch, wenn Leute sich einer solchen Einrichtung als Bühne bedienen und die Eitelkeit das Maß aller Dinge ist. JÉRÔME FEUILLETON
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