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www.jerome-kassel.de 17 JÉRÔME STADT Notarzt Dr. Thomas Köhler an seinem „Arbeitsplatz“. Links neben ihm liegt im Ernstfall der Patient. gang. An diesem Dienstag im Februar sind das der Leitende Hubschrauberarzt Dr. Thomas Köhler, seit 2007 Ärztlicher Leiter des Rettungshubschraubers Christoph 7, und Notfallsanitäter Andreas Jarnot. Während Christian Berbig und Andreas Jarnot die Maschine startklar gemacht haben, hat Dr. Thomas Köhler die Wache vorbereitet, sich am System angemeldet, geschaut, dass alle Medikamente und Materialien parat liegen. Wenn Christoph 7 eintrifft, ist die gesamte Besatzung einsatzbereit und bleibt das bis Sonnenuntergang, respektive 22 Uhr im Sommer. Rettende Engel in der Not Das Haupteinsatzgebiet von Christoph 7 beschreibt einen Radius von 70 Kilometern, deckt neben Kassel und Landkreis Kassel auch den Landkreis Waldeck-Frankenberg, den Schwalm- Eder-Kreis, den Landkreis Hersfeld-Rotenburg und den Werra-Meißner-Kreis ab und reicht zum Teil bis ins Sauerland (z.B Ski- und Mountainbike- Unfälle), Niedersachsen oder auch Thüringen hinein. Für viele Menschen in diesem Gebiet sind die Besatzungsmitglieder von Christoph 7 bereits rettende Engel in der Not gewesen. Manchmal hält ein Auto an „Wir fliegen rund 1.200 Einsätze im Jahr“, sagt Dr. Thomas Köhler. Meistens handle es sich um Primäreinsätze, also um akute Notfallsituationen. Aus der Luft könne man in vielen Fällen schneller da sein als ein Rettungswagen, allerdings selten so nah dran. „Mit dem RTW fahren Sie bis vor die Haustür, mit dem Hubschrauber landen Sie meistens auf einem Acker, klettern an Böschungen hoch oder über Leitplanken und laufen auch schon mal einen Kilometer bis zum Einsatzort“, erklärt der Notarzt. Manchmal halte ein Auto an und nehme die Helfer mit und auch die Straßenbahn habe schon gute Dienste geleistet. Es gebe aber auch Situationen, in denen man den Heli gar nicht erst starte, sondern man gleich zum Einsatzort laufe. Bei Notfällen in der Heinrich-Schütz- Schule oder am Bahnhof Wilhelmshöhe sei das schon passiert. Und auch der Rückweg vom Einsatz erfolgt nicht immer mit Christoph 7. „Falls wir nach Einlieferung des Patienten in die Zielklinik nicht mehr zum Luftrettungszentrum zurückfliegen können, zum Beispiel wegen Dunkelheit oder Wetter, haben wir Taxigutscheine dabei“, sagt Dr. Köhler. Nicht mal eben rechts ranfahren Zwei Drittel seiner Einsätze fliegt Christoph 7 für Herz-Kreislauf- und neurologische Patienten. Gerufen werde man aber auch häufig, wenn es um schwerverletzte Personen gehe, oft auch um Kindernotfälle. „Weil wir schnell sind, aber auch weil sich die bodengebundenen Systeme auf diesem Weg gerne weitere Experten dazuholen“, erklärt Dr. Köhler. Wie die verletzte Person letztendlich zum Krankenhaus gebracht werde, müsse man wiederum gut abwägen. „Nur etwa 30 Prozent der Notfallpatienten werden geflogen“, sagt er. Bei kreislaufinstabilen Patienten zum Beispiel könne das Risiko für einen Lufttransport zu hoch sein, weil man im Rettungswagen mehr Raum für Behandlungsmaßnahmen habe und man mit dem Rettungshubschrauber auch nicht mal eben rechts ranfahren könne. „Man muss im Einzelfall entscheiden, ob ein möglicher Zeitvorteil durch den Lufttransport die eingeschränkten Interventionsmöglichkeiten aufwiegen. Manchmal steht, egal wie instabil der Patient ist, der Zeitvorteil im Vordergrund. Dann geht es um die Wurst und man muss halt sagen: ‚Augen zu und durch!‘.“ Für Patienten die schonend transportiert werden müssen, sei der Hubschrauber optimal. In der Luft gebe es schließlich keine Schlaglöcher. Eigentlich Zivilschutzhubschrauber Aber auch Sekundäreinsätze fliegt Christoph 7, zum Beispiel für die Verlegung von Verbrennungsopfern zu Spezialkliniken oder auch für Material und Organtransporte über weitere Entfernungen. Gelegentlich gebe es auch ganz andere Nutzungen, wie zum Beispiel Suchflüge. Denn streng genommen ist Christoph 7 kein Rettungshubschrauber, sondern ein dem Bund unterstellter Zivilschutzhubschrauber. Als solcher bringt er polizeiliche Ausstattungsmerkmale wie zum Beispiel ein Hinderniswarnsystem mit sich und kann im Katastrophenfall zur fliegenden Kommandozentrale umgerüstet werden. Zwölf Exemplare seiner Art gibt es deutschlandweit, aufgrund ihrer Farbgebung auch Retter in Orange genannt. Treat first what kills first Klar erlebe man bei den Einsätzen Situationen, die man mit nach Hause nehme, so Köhler. Wenn nicht medizinisch nötig, frage er deshalb bewusst nicht nach, was aus den Patienten geworden sei. Obwohl er rund 150 Einsätze im Jahr fliege, und das schon seit mehr als zwölf Jahren, gebe es immer wieder Dinge, die er noch nicht erlebt habe. „Wir sind in der Akutmedizin tätig und wissen nie, was auf uns zukommt“, sagt er. „Wir müssen die Situation sehr schnell erfassen und Prioritäten setzen.“ Treat first what kills first sei dann die Devise. Es sei eine besondere Herausforderung, wenn man vor Ort und auf sich gestellt sei und keine weitere Hilfe holen könne. „Mich reizt diese Unmittelbarkeit der ärztlichen Tätigkeit“, sagt Köhler. Und da alarmiert auch schon die Leitstelle für den nächsten Einsatz. Guten Flug! Auf dem Dach des DRK-Klinikums: Notarzt Dr. Thomas Köhler, Pilot Christian Berbig und Notfallsanitäter Andreas Jarnot (v.l.) mit Rettungshubschrauber Christoph 7.


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