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JÉRÔME FEUILLETON Die Preisträger-Ausstellung ist bis zum 5. Mai im Göttinger Rathaus und bis zum 21. Juni in der Volksbank in Kassel zu sehen. www.jerome-kassel.de 33 seiner Frau Margit, zahlreichen Alt-Elchen, darunter Gerhard Glück, Ernst Kahl und Michael Sowa und einem ansonsten das Theater bis zu Bersten füllenden Publikum dem Verleihungszeremoniell. Nach Grußworten von Göttingen Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler und Vorjahrespreisträger Pit Knorr, laudatierte der Kabarettist, Schauspieler und ebenfalls Elch-Preisträger Gerhard Polt und gab dabei die ein oder andere Anekdote aus seiner langjährigen Freundschaft zu Haderer zum Besten. Fotorealistische Perfektion Der Neu-Elch Haderer indes war sichtlich gerührt als er die 3.333,33 Euro Preisgeld und das höchste Satireabzeichen, eine silberne Elch-Brosche, entgegen nahm. In der Begründung der Jury hieß es: „Mit handwerklicher Akkuratesse, Liebe zum überraschenden Detail und geradezu fotorealistischer Perfektion entstellt Gerhard Haderer die Wirklichkeit zur Wahrheit, wandelt die Zumutungen der Realität um in die Anmutungen der Kunst. Wer so vollendet und vollkommen hadert, wird am Ende zum Tier und muss zum Elch werden, ja: zum Göttinger Elch!“ Ausstellung dank Volksbank Kassel Göttingen Bereits am Vorabend der Preisverleihung wurde im Alten Rathaus zu Göttingen, unter dem wachenden Blick des sich auf dem Rathaus Platz befindlichen „Gänseliesels“, eine Ausstellung mit rund 140 von Haderers Arbeiten eröffnet. Nach einem Grußwort der Göttinger Kultur- und Sozialdezernentin Petra Broistedt führte der mehrfach preisgekrönte Kabarettist und Meisterspötter Arnulf Rating in Haderers Werk ein. Die exklusiv von der Volksbank Kassel Göttingen geförderte Ausstellung ist dort noch bis zum 5. Mai zu sehen. Im Anschluss ist die Ausstellung vom 9. Mai bis zum 21. Juni in der Volksbank Kassel zu sehen. Schule des Ungehorsams In seinen Bildern befasst sich Haderer sowohl mit tagesaktuellen Ereignissen aus Politik und Gesellschaft als auch mit dem ganz alltäglichen Wahnsinn. Als Cartoonist dürfe man keine Angst vor polarisierenden Themen haben, findet Der 67-Jährige. Aus dieser Haltung heraus gründete er im Jahr 2017 auf dem Areal einer alten Tabakfabrik in seiner Heimatstadt Linz die „Schule des Ungehorsams“. Die Einrichtung versteht sich als „philosophisches, politisches, humanistisches Denklabor, um individuelle Ideen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen zu zünden.“ Auf diesem Gebiet ist Haderer allemal eine Instanz. Mehr als einmal lösten seine Arbeiten öffentliche Debatten aus. Bombendrohung in Kassel Sein Cartoon-Buch „Das Leben des Jesus“ etwa führte im Jahr 2002 zu einer Diskussion über die Legitimität humoristischer Darstellungen von religiösen Inhalten. In der Caricatura Galerie Kassel, in der das Buch mit einer Ausstellung gewürdigt wurde, ging am Tag der Eröffnung eine Bombendrohung ein, die den Bundesgrenzschutz samt Hundestaffel auf den Plan rief. Haderer selbst blieb jedoch ganz Profi: „Das waren dann wieder Anregungen für tausende weitere Cartoons, denn ich wusste bis dahin nicht, wie deutsche Grenzhunde mit Bildender Kunst umgehen. Das hab ich in Kassel gelernt – und natürlich auch nicht vergessen!“ Blasphemie-Vorwurf Auch in Österreich wurde das Buch kritisiert, naturgemäß vor allem seitens der katholischen Kirche. Der Salzburger Weihbischof forderte, Haderer wegen Blasphemie anzuklagen – für den Künstler selbst völlig unverständlich: „Eigentlich habe ich erwartet, dass die österreichischen Bischöfe meinen Namen loben und preisen würden für all das, was ich zum Thema Amtskirche nicht gezeichnet habe.“ Doch letztlich ficht ihn die Kritik nicht an, denn er weiß: „Die Dummen versuchen gerichtlich zu klagen, die Klugen laden mich zum Essen ein“. Angeklagt wurde er dann tatsächlich, allerdings nicht in Österreich, sondern in Athen. Dort wurde er 2005 in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft verurteilt. Da half es auch nichts, dass Haderer seine Zeichnungen in Anlehnung an den griechischen Gott der Unterwelt zumeist mit „Hades“ signiert. Oder vielleicht doch, das Urteil wurde jedenfalls schließlich wieder aufgehoben. Sympathischer Krawallmacher Auch sonst sind seine Zeichnungen – wohl ob ihrer kompromisslosen, zur Gnadenlosigkeit tendierenden Ehrlichkeit – in Österreich nicht unumstritten. In seinem monatlich erscheinenden Comic-Heft „Moff “ persifliert Haderer das gesellschaftspolitische Zeitgeschehen in seinem Heimatland. Von einem seiner Publikationsmedien, den „Oberösterreichischen Nachrichten“, trennte er sich nach einer für Aufregung sorgenden Karikatur über den damaligen Landeshauptmann – das Amt ist hierzulande etwa vergleichbar mit dem des Ministerpräsidenten. Glücklicherweise weiß man den sympathischen Krawallmacher im Großen und Ganzen aber schon zu schätzen. So erhielt er etwa im Jahr 2008 das „Goldene Verdienstabzeichen der Stadt Wien“. www.goettinger-elch.de


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