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38 www.jerome-kassel.de JÉRÔME WIRTSCHAFT Vom Master zum Meister Von Kathrin Bode Jérôme: Die Landfleischerei Koch besteht seit über 140 Jahren. Was sind für Sie die gravierendsten Veränderungen der letzten Zeit? Katharina Koch: Die Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Die Haushalte sind heute kleiner und die Zeit für den täglichen Einkauf ist knapper. Während es früher vielen vor allem darum ging, große Mengen Fleisch möglichst günstig einzukaufen, achtet man heute mehr darauf, qualitativ hochwertige und gesunde Lebensmittel zu konsumieren. Für uns ist es sehr erfreulich, dass sich die Menschen heute mehr mit ihrer Ernährung auseinandersetzen als noch vor einigen Jahren. Gerade bei tierischen Lebensmitteln möchte der Verbraucher sehr genau wissen, woraus diese bestehen, woher sie stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert worden sind. Diesem Wunsch nach Qualität, Transparenz und Nachhaltigkeit können wir als regionaler Handwerksbetrieb sehr gut Rechnung tragen. Zudem reagieren wir mit unserem Onlineshop und Lieferservice auf das Bedürfnis, den Einkauf bequemer und zeitsparender zu gestalten. Jérôme:Was bedeutet für Sie Verantwortung? Koch: Seitdem ich unseren Betrieb gemeinsam mit meinem Vater leite, ist mir erst vollständig klar geworden, was es tatsächlich bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Unsere Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter müssen sich immer auf uns verlassen können und wir dürfen nicht leichtfertig mit ihrem Vertrauen zu uns umgehen. Verantwortung hat in unserem Beruf zudem eine ganz besondere Bedeutung, weil wir Lebensmittel herstellen und mit Tieren arbeiten. Als Lebensmittelunternehmerin habe ich die Pflicht, dem Verbraucher ein qualitativ einwandfreies Produkt zu liefern, das zu einhundert Prozent seinen Vorstellungen entspricht. Schließlich gibt es kaum ein anderes Erzeugnis, das dem Konsumenten so nah kommt wie ein Lebensmittel. Auf der anderen Seite stehen die Tiere, aus denen wir diese Lebensmittel herstellen. Auch ihnen gegenüber tragen wir eine große Verantwortung. Der Umgang mit fühlenden Lebewesen verlangt viel Respekt und besondere Sorgfalt. Dies fängt bei den Haltungsbedingungen an. Es ist mir sehr wichtig, zu wissen, dass unsere Schweine ausreichend Platz im Stall und auf der Wiese haben und sie stets gut versorgt sind. Um diese Gewissheit zu haben, arbeiten wir sehr eng mit unseren Bauern zusammen und halten mittlerweile auch unsere eigenen Tiere. Jérôme: Was hat sich für Sie nach Ihrer Rückkehr vor vier Jahren verändert? Koch: Obwohl ich den Eindruck habe, jeden Tag noch etwas hinzu zu lernen, kann ich mittlerweile auch auf einige Erfahrungen zurückblicken. Mein Vater hat mir von Anfang an genug Freiraum gegeben, meine eigenen Ideen einzubringen und umzusetzen. Ganz egal ob es sich um bauliche Maßnahmen, das Kreieren neuer Produkte oder um eine Erweiterung der Vertriebswege handelte – ich hatte stets Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln. Es ist schön zu sehen, dass sich unser Betrieb in den letzten Jahren weiter entwickelt hat und dass ich etwas dazu beitragen konnte. Die größte Veränderung war sicherlich die Betriebsübernahme Anfang dieses Jahres. Auch wenn in Hinblick auf die täglichen Abläufe keine großen Veränderungen stattgefunden haben und mein Vater mich nach wie vor unterstützt, ist es schon ein anderes Gefühl, nun komplett selbst verantwortlich zu sein. Jérôme: Wie sieht ein typischer Arbeitstag einer Katharina Koch aus? Koch: Meine Tage beginnen recht früh, zwischen fünf und sechs Uhr. Ich bereite zunächst den Verkaufsraum vor, bearbeite Bestellungen und bediene die ersten Kunden. Wenn es nötig ist, packe ich auch in der Produktion mit an. Außerdem gehören der Versand und alle administrative und organisatorischen Tätigkeiten zu meinen zentralen Aufgaben. Einen wirklich „typischen Arbeitstag“ gibt es aber nicht. Die Arbeit in einer Fleischerei ist sehr abwechslungsreich. Sicherlich wiederholen sich einige Abläufe, aber eigentlich ist kein Tag wie der andere. Genau das liebe ich auch so sehr an meinem Beruf. Jérôme: Sie sind zunächst einen anderen Weg gegangen, haben studiert, in Berlin, Paris und New York gelebt. Und nun die Nachfolge im heimischen Betrieb in Calden und die Meisterprüfung im Bildungszentrum Kassel. Vermissen Sie die große, weite Welt? Oder profitieren Sie von Ihren Erfahrungen? Koch: Wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich alles wieder genauso machen. Das Studium und die Auslandsaufenthalte waren eine große Bereicherung für mich. Auch wenn ich jetzt in einer ganz anderen Branche arbeite, bin ich nach wie vor überzeugt davon, dass ich sowohl auf der persönlichen als auch auf der beruflichen Ebene von meiner Ausbildung profitiert habe. Berlin, Paris und New York sind sicherlich spannende Städte, die immer einen Besuch Wert sind. Dennoch habe ich es nie bereut, zurück nach Kassel Familienunternehmerin in der fünften Generation: Katharina Koch Foto: Alexander Sobotta/Landfleischerei Koch Ihre r Vita ist be beei eind nd ndru ru r ck cken end: d Mastera ra r bs bsch ch c lu luss ss s an de der r r Pa P ri r se ser r r Sorbonne, Unternehmerfrau im Handwerk 2017, seit diesem Jahr Inhaberin der Landfleischerei Koch und nun frischgebackene Meisterin. Wir haben Katharina Koch zum Interview eingeladen und mit ihr über den Wandel der Zeit, Verantwortung im Handwerk und die Weiterentwicklung des Familienbetriebs gesprochen.


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