Kasseler Bürgerpreis in den Turbulenzen des Klimawandels 36 www.jerome-kassel.de JÉRÔME FEUILLETON Nun Volk klag an und Durchaus widersprüchliche Reaktionen rief die diesjährige Verleihung der Auszeichnung »Das Glas der Vernunft « unter Anerkennung der These des »vom Menschen verursachten Klimawandels« hervor. Der Preis ging an den peruanischen Kleinbauern Saul Luciano Lliuya, weil dieser den Essener RWE Konzern wegen dessen Kohleförderung bzw. den vermeintlich lebensgefährdenden Auswirkungen der Verbrennung selbiger bis hin ins ferne Südamerika verklagt hatte. Sich diesem Beispiel anzuschließen und auf breiter Front Klage gegen Unternehmen zu führen, die der Klimabeeinträchtigung verdächtig seien, forderte Festredner Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, der als Klimaforscher unter anderem für den Papst tätig ist. Bislang spielte der Glaube bei der Verleihung des Kasseler Bürgerpreises »Das Glas der Vernunft«, ins Leben gerufen unter dem Eindruck der deutschen Wiedervereinigung 1990 und getragen von den Idealen der Aufklärung, der Vernunft und Toleranz, aus naheliegenden Gründen eine eher untergeordnete Rolle. In einer immer komplexeren Welt, für deren Verständnis und Durchdringung jedoch zugleich mehr Möglichkeiten denn je bestehen, scheint es dennoch bei vielen Menschen ein tiefes Bedürfnis zu geben, im Zweifelsfall lieber glauben als wissen zu wollen. So kann zumindest ein Teil der großen neuen Unübersichtlichkeit nervenschonend ausgeblendet werden, wähnt man sich doch, guten Glaubens, auf der richtigen, zumeist als einzig wahr gedeuteten Seite. Der unter sozialpsychologischen Gesichtspunkten durchaus verständlichen Verlockung, diesem dann doch eher der Irrationalität entspringenden Verlangen zu entsprechen, konnte sich offenbar auch die Jury des Kasseler Bürgerpreises, seit 2016 unter dem Vorstandsvorsitz des ehemaligen documenta-Geschäftsführers Bernd Leifeld, in diesem Jahr nicht zur Gänze verschließen. Denn anders ist es wohl kaum zu erklären, wie ein auch unter Fachwissenschaftlern höchst umstrittenes Thema wie der »vom Menschen verursachte Klimawandel« nicht etwa diskursiv, sondern als feststehendes Faktum behandelt und damit Grundlage für die Verleihung der mit 10.000 Euro dotierten Auszeichnung wurde. Foto: Mario Zgoll Von Jan Hendrik Neumann
2018_S00001_00028
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