Friedrichsplatz 15 · 34117 Kassel Telefon (05 61) 10 94-270 oder -271 www.cm-besucherservice.de www.jerome-kassel.de 37 JÉRÔME FEUILLETON Sturm lass nach Im Kampf für ein besseres Klima in Peru (von links): Bernd Leifeld, Dieter Mehlich und Barbara Ettinger-Brinckmann vom Vorstand des »Glases der Vernunft« mit dem diesjährigen, von der NGO »Germanwatch« unterstützten Preisträger Saul Luciano Lliuya Der Mensch als erdgeschichtlicher Akteur Staunend darf man zur Kenntnis nehmen, dass dem auf den ersten Blick eher eigenwilligen Ansatz, dass ein peruanischer Kleinbauer den in Essen ansässigen Energiekonzern RWE verklagt, weil durch dessen Aktivitäten in Deutschland der 10.500 km entfernte Palcacocha-Gletschersee in Peru überzulaufen drohe, höchste Referenz erwiesen wird: „Saul Luciano Lliuya erhält den Kasseler Bürgerpreis »Das Glas der Vernunft« für seinen Einsatz, die Folgen des Klimawandels in individuelle Verantwortung zu stellen. Er bringt dessen Kosten in ein zivilrechtliches Verfahren ein und führt zugleich jedem Einzelnen vor Augen, dass lokale Handlungen weltweit Klimaveränderungen verursachen. Sie sind unumkehrbar, der Mensch wird zum erdgeschichtlichen Akteur. Saul Luciano Lliuya hat den Mut, die globale Dimension individueller, politischer und ökonomischer Handlungsweisen mit Mitteln des Rechts und der Vernunft auszuhandeln.« Da dieser Mut allein wohl kaum ausgereicht hätte, konnte sich Lliuya für sein Unterfangen der vollen Unterstützung durch eine NGO (Non-Government Organisation) mit dem klangvollen Namen »Germanwatch« versichern, die nicht nur seinen Anwalt stellte, sondern auch sonst alle Notwendigkeiten übernahm. „Unser Freund hier aus Peru, Herr Lliuya, hat uns gewissermaßen Entwicklungshilfe gegeben“, unterstrich Festredner Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher und langjähriges Mitglied des Weltklimarates IPCC, nachdem er zuvor festgestellt hatte, dass man das Klima einfach zu lange nur der Politik überlassen habe: „Deswegen ist es an der Zeit, dass sich die Zivilgesellschaft um ihre eigene Zukunft kümmert“, wozu selbstverständlich gehöre, „dass hier in Deutschland eben auch so etwas wie eine Klimaklage anhängig gemacht wird.« Die Welt als Wille und Vorstellung Andächtiges Schweigen brach aus, als Schellnhuber, der von seinen Kritikern gelegentlich als „Guru des Klima-Alarmismus“ bezeichnet wird, nicht nur davor warnte, „dass wir uns in einer absoluten Krisensituation befinden“, sondern kategorisch feststellte: „Wir haben bereits den Eiszeitzyklus unterbrochen, der vor etwa 3 Millionen Jahren einsetzte. Der Mensch hat bereits die Dynamik des Planeten entscheidend verändert!“ Doch in aller von ihm beschworenen Finsternis ließ er schließlich doch noch Raum für ein paar Fünkchen Licht und Hoffnung, den im Zweifelsfall mit der Kraft des Glaubens zu führenden Kampf gegen die Erderwärmung betreffend: „Es steht wahrscheinlich auf des Messers Schneide und es lohnt sich für jedes Zehntelgrad zu kämpfen!“, sprach der Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung ein großes Wort gelassen aus, und: Rettung sei möglich, „wenn jetzt alles gut geht, wenn alle Klagen gegen fossile Unternehmen gewonnen werden!“ Ein Schelm, wer Arges dabei denkt, dass Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber seit 2015 auch Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ist und im gleichen Jahr auf einer Pressekonferenz im Vatikan die neue Enzyklika von Papst Franziskus zum Umwelt- und Klimaschutz vorstellte. „Das Paradoxe ist, dass unsere stärksten Verbündeten heute in der Katholischen Kirche sitzen. Es ist tatsächlich so, dass sie, die konservativste Institution der Zivilisationsgeschichte, nun ganz vorne steht, zusammen mit der Klimawissenschaft, um die Welt zu retten, um die Schöpfung zu bewahren ...“
2018_S00001_00028
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