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www.jerome-kassel.de 33 einer: „Frau Esterer, wir dürfen jetzt ja gar nicht mehr mitdenken.“ Das ist aber ganz falsch. Das Mitdenken, das ich erwarte, ist viel komplexer geworden. Dieses Bewusstsein zu festigen, ist eine schwere Aufgabe. Den Mitarbeitern muss klar werden, dass die bestehenden Prozesse noch nicht optimal sind und ich sie brauche, um mir zu sagen, mit welchem Werkzeug sie noch besser werden können und mit welchen Konstruktionen. Sie müssen die Ingenieure in die Produktion holen, mit ihnen diskutieren, was man am Produkt optimieren kann, wie man am Prozess optimieren kann und auch am Werkzeug. Wie kann ich den Arbeitsplatz ergonomischer gestalten? Das ist jetzt ihre Aufgabe. Jérôme: Sie sollen das große Ganze weiterentwickeln? Esterer: Ja, und die Aufgabe ist sehr komplex. Ich brauche Leute, die mitdenken, um das System weiter zu optimieren. Deshalb haben wir auch ein Trainingscenter aufgebaut. Hier machen wir sie fit für die neuen Anforderungen und nehmen ihnen die Unsicherheit. Das betrifft natürlich auch die Führungskräfte. Die müssen nicht mehr top-down managen und fachlich führen, sondern Coaches werden, um Optimierungspotenziale aus ihren Mitarbeitern herauszukitzeln. Jérôme: Wie beobachten Sie das als Expertin für Personal- und Organisationsentwicklung, Frau Jastrzembowski? Ilka Jastrzembowski: Das ist ein Trend, der in unseren 19 Jahren Beratung deutlich wird. Unternehmen, die in die Zukunft schauen, haben längst erkannt, dass sie Mitarbeiter brauchen, die über den Tellerrand gucken. Die ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und dazu auch Lust haben. Und die Veränderung nicht als Angriff oder Bedrohung sehen. Jérôme: Alle Unternehmen haben das noch nicht erkannt? Jastrzembowski: Man stößt vielfach auf bewahrende Unternehmenskulturen, gerade bei Familienunternehmen, die eine andere Führung und ein gewohntes Wachstum hatten. Häufig in einem Anbietermarkt. Die Unternehmen, die weitsichtig früh anfangen, dies zu ändern, haben die eben beschriebenen Schwierigkeiten. Sie machen sich damit aber fit für Gegenwart und Zukunft. Das ist ein immer größerer Teil und das ist auch Kern unserer Beratung heute. Der andere, „rückwärtsgewandte“ Teil hat immer noch einen Blick darauf, dass der Markt und die Kunden falsch sind und sich ändern müssen. Das sind die, die rausfallen. Jérôme: Wie sehen Sie die Ansprüche der Mitarbeiter heute? Gerade die Generation Y hat ja besondere. Esterer: Es gab erst kürzlich eine Umfrage im Wirtschaftsmagazin brand eins, die bestätigt, was ich bei meinen jungen Mitarbeitern erlebe – und ich meine nicht die Leute in der Produktion. Die Frage: Was ist gute Arbeit? 92 Prozent haben gesagt: festes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz, die Arbeit muss Spaß machen und muss unbefristet sein. Das ist für mich fast ein Konsumentenverhalten. Dinge wie ich will mich selbst verwirklichen, ich will gestalten, ich will selbstschaffend sein kamen unter ferner liefen. Da bin ich etwas schockiert, wo sich dieser Anspruch an einen Arbeitgeber hinentwickelt. Ich bin kein Entertainer und keine Super Nanny, die ihre Mitarbeiter bespaßt. Die müssen anfangen mitzudenken. Und es ist sehr schwierig, die Mitarbeiter zu finden, die es heute braucht. Jastrzembowski: Deshalb werden die Mitarbeiter zum kritischen Faktor. Der Innovations- und Technologievorsprung, alles was im Grunde unsere werthaltige Kultur in Deutschland ausmacht, kann nur lebendig und umgesetzt werden, durch Disziplin, Loyalität und Durchhaltevermögen. Die Studie von brand eins zeigt, dass ein großer Teil dieser Generation, die um die 90er geboren ist, in einem Luxus- und Wir-haben-alles-Umfeld aufgewachsen ist. Sie haben gelernt, ich kann alles weltumspannend, ich bin vernetzt, ich muss auch nicht zwangsläufig durchhalten. Sie sind von einer Elterngeneration erzogen worden, die sie schon fürs Müll runterbringen lobt. Und die Wechseln unterstützt: „Wenn Du keine Lust mehr hast, Fuß- Business-News mit Müller+Partner Rollenflexibilität als zentrale Führungskompetenz! Neue Führungsrollen: Anspruch und Wirklichkeit Führungskräfte von heute: Sozialkompetente Motivatoren, Entwickler und Feedbackgeber, statt fachkompetente, operativ tätige Praktiker – so das Ideal einer aktuellen Studie vom Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) und der Personalberatung Hays, die jährlich unter Führungskräften durchgeführt wird.. Gute Führungskräfte sind zugleich Vorbilder, Visionäre, Diagnostiker, Konzeptentwickler, Konfliktmanager, Gestalter, Lenker, so heißt es in der Studie. Die moderne Führungskraft von heute hat erkannt, dass gute Führung das Gebot der Stunde ist. Feedback geben, Mitarbeiter motivieren, Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, das sind die wesentlichen Aufgaben des Führens. Rund 78 Prozent der befragten Führungskräfte halten solche Kompetenzen für die zentralen Anforderungen an Führungskräfte und attestieren diesem Bereich zugleich aber den größten Handlungsbedarf (72%). Das operative Tagesgeschäft verliert an Bedeutung – nur elf Prozent sehen es noch als wichtige Aufgabe. Die Führungskraft von heute sei fähig, Mitarbeiter zu fördern, Unsicherheiten auszuhalten und trotzdem die Erwartungen im Spannungsfeld der gesamten Anspruchsteller des Unternehmens zu erfüllen. Keine leichte Aufgabe für den fachkompetenten Praktiker in der hektischen Unternehmensrealität, der sich vielfach bis heute hauptsächlich um das operative Geschäft gekümmert hat und maximal ein Fünftel seiner Zeit für Führung übrig hat. So sehen Dreiviertel der Befragten die mangelnde Zeit als Haupthindernis für die Ansprüche moderner Führung. Zudem bekennen 55 Prozent, dass sie von der Kontrolle ihrer Mitarbeiter schlecht loslassen können und 48 Prozent fällt es schwer, statt einer Anwesenheits- eine Ergebnisorientierung einzuführen. Anspruch und Wirklichkeit Führung bindet die Kompetenz der Mitarbeiter immer stärker ein und beteiligt sie aktiv. Aber es zeigt sich, dass es ein sehr schleppender Prozess ist. Viele Führungskräfte sind immer noch in den alten Rollen des Bewahrers und Controllers verhaftet, was sich zunehmend negativ auf das Geschäft und die Mitarbeiterbindung auswirkt. Mein Tipp: Schauen Sie einfach mal aufmerksam hin – in Ihrer Führungsrealität. Studien sind sicher nicht die Messlatte für gute oder gar schlechte Führung in der Unternehmenswirklichkeit. Sie bilden die Praxis in ihrer Vielschichtigkeit auch nicht ab. Sie sind jedoch eine sehr gute Messlatte, um Führungshandeln und wahrgenommene Führungsrollen im Kontext von Unternehmenserfolg zu prüfen und weiterzuentwickeln. Ihre Ilka Jastrzembowski JÉRÔME WIRTSCHAFT


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