JÉRÔME FEUILLETON Andreas Ernst, Chef von SESAM, bittet herein Andreas Ernst, ein nicht großer, drahtiger Kahlkopf mit verschmitztem Grinsen, wiegt bedenklich den Kopf. „Das würde heißen, dass die Evolution einen Plan hätte. Nee, die Evolution wurschtelt sich auch nur so durch. Da es keinen Plan gibt, kann alles Mögliche passieren. Der Erde sind wir passiert.“ Kriegen wir die Erde also noch kaputt? „Das ist die falsche Frage. Wenn wir es übertreiben, und im Augenblick übertreiben wir gehörig, kriegt die Erde irgendwann uns kaputt. Kennen Sie den Witz mit den zwei Erden, die sich treffen? Sagt die eine, du siehst aber schlecht aus. Antwortet die andere, ja, mir geht´s auch mies, ich hab Menschen. Keine Sorge, tröstet die erste, das geht bald wieder vorbei.“ Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu Tode siegen Und? Könnte es tatsächlich sein, dass unser „Wirtstier“ Erde uns lästige, sich dauernd vermehrende Viren los wird? Wieder das bedenkliche Kopfwiegen. „Ich mag keine Katastrophenszenarien“, erklärt Andreas Ernst. „Aber alle Indikatoren weisen darauf hin, dass wir uns bis zur Mitte des Jahrhunderts noch auf neun oder zehn Milliarden vermehren werden, danach könnte es wieder abwärts gehen. Aber nicht nur wegen sinkender Geburtenraten auch in anderen Weltgegenden. Sondern weil Wasser und andere Ressourcen knapp werden.“ Das heißt, gigantische Hungersnöte? Das wären ja Katastrophen, die Andreas Ernst lieber umschifft. „Der Homo Sapiens ist ein unglaublich brillantes Erfolgsmodell. Jetzt müssen wir aber selber aufpassen, dass wir uns nicht zu Tode siegen. Der ständige Fortschritt beflügelt, er benebelt aber auch. Die meisten Leute, besonders in der Wirtschaft, scheinen davon auszugehen, dass es einfach immer so weitergeht. Ich kann mir das nicht vorstellen. Der Klimawandel ist eine Tatsache. Und er schlägt in den äquatorialen Gegenden am härtesten zu, das ist jetzt schon absehbar. Klar, heiß ist es da jetzt auch, aber hinzukommen wird zunehmende Trockenheit, und wenn esmal regnet, dann gleich in so großen Mengen, dass der ausgedörrte Boden das nicht mehr aufnehmen kann. Die Fruchtbarkeit verschiebt sich immer mehr in Richtung der Pole. Was dann? Wenn in Russland zum Beispiel der Süden austrocknet, kann man die Anbauflächen ja nicht einfach nach Sibirien verlagern, dort tauen dann die Permafrostböden gerade erst auf, und das heißt Matsch, da können Sie nichts anbauen. Es könnte tatsächlich große Wanderungsbewegungen geben.“ Die gegenwärtigen Flüchtlingswellen haben überwiegend politische Ursachen – und sind wahrscheinlich bescheiden gegenüber dem, was noch kommen könnte, wenn Ernst recht hat. Es kann auch wieder anders kommen Aber was macht das mit uns? „Dasmachtmir Sorgen. Ich befürchte, wir hier in den reichen Ländern sind inzwischen weniger widerstandsfähig gegen Einschränkungen des Lebensstils geworden. Die Gelassenheit bei Schwankungen der Lebensqualität, die es vor 50, 60 Jahren noch gab, ist uns reichlich abhanden gekommen.“ Bisher, werfe ich ein, hatten die Apokalyptiker aber immer unrecht. Ich selber habe um 1980 nicht geglaubt, dass im Jahre 2000 noch Blumen blühen würden. Andreas Ernst grinst. „Ja, das Waldsterben und so. Es ist aber anders gekommen, gerade weil gewarnt und dann reagiert wurde. Und wir hier an der Uni arbeiten ja gerade daran, dass es auch diesmal anders kommt.“ www.jerome-kassel.de 33
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