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28 www.jerome-kassel.de Fotos: Uwe Thon richtungsweisender Vermeidung formalistischer Zwänge – und vermutlich nicht zuletzt unter dem Primat des nachhaltigen Schutzes natürlicher Ressourcen – gab es diese erst gar nicht. Überwindung von Sehgewohnheiten Dass auch Griechen ihren Weg in die Ausstellung fanden – nach offiziellen Angaben stellten sie sogar die Hälfte der Besucher – kann ebenfalls kaum hoch genug bewertet werden. Denn im nun zwischen zwei Spielorten aufzuteilenden Gesamtbudget von 37 Millionen Euro war selbstverständlich kein entsprechender Werbe- und PR-Posten für die flächendeckende Mobilisierung einer Millionenstadt vorgesehen, ganz abgesehen von dem kaum zu vermeidenden Umstand, dass die zweifellos progressiv zu interpretierenden Ansätze bei der Gestaltung der auf die Documenta 14 hinweisenden Plakate entweder ein geübtes Auge zur Entschlüsselung, besser noch den unbedingten Willen zur Überwindung tradierter Sehgewohnheiten voraussetzen. Selbiger Ansatz war auch zur Entdeckung der oft gut verborgenen Ausstellungsorte von Vorteil, wenngleich die Absenz stupider Wiedererkennungsmerkmale zur selbstverantwortlichen und kreativen Stadterkundung einlud, fernab der Automatismen touristischer Trampelpfade und somit möglicherweise völlig bewusst eingesetzt, ganz im Sinne der einst von dem Schweizer Soziologen, Kasseler Hochschulprofessor und nunmehrigen posthumen Documenta-Künstler Lucius Burckhardt begründeten Promenadologie, vulgo Spa- JÉRÔME FEUILLETON ziergangswissenschaft. Vergleichsweise leicht zu finden war immerhin der Documenta 14-Spielort EMST, jenes Nationale Museum für Zeitgenössische Kunst, von dessen Gründung bis zur Teileröffnung im Oktober 2016 beachtliche 16 Jahre vergingen, bevor es für die Bestückung mit Objekten der Documenta nun wieder leergeräumt wurde. Auf den Spuren Adornos Was dort eines schönen Tages vielleicht sogar dauerhaft zu sehen sein wird, lässt seit Fortsetzung der Documenta 14 in Kassel ein Besuch im Fridericianum erahnen, für das noch bis Anfang 2017 die Sammlung des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt vorgesehen war. Hier, im einstigen tradi- Gordon Hockeys überdimensionales Gemälde in der Neuen Neuen Galerie Agnes Denes schuf die „Living Pyramid“


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