Dumm gelaufen für Charles Lucien Léandre: Der zu seiner Zeit (1862–1930) äußerst prominente französische Karikaturist, Porträtmaler und Plakatkünstler, der sein Atelier natürlich im Pariser Künstler-Stadtteil Montmartre hatte, ist zwar mit seiner meisterhaften Zeichnung „Le Kronprinz“ in der noch bis zum 1. Mai 2011 im Kasseler Museum für Sepulkralkultur gezeigten Ausstellung „Der Tod in der Karikatur“ vertreten – allerdings nur unter der wenig schmeichelhaften Bezeichnung „Unbekannt“. Diese Nachlässigkeit hat indes nicht das Sepulkralkultur-Museum zu vertreten, das die Wanderausstellung nur vom Deutschen Zeitungsmuseum Wadgassen übernommen hat, sondern offenbar war selbst dem Leihgeber der 120 gezeigten Karikaturen, dem niederländischen Kriminologen Prof. Dr. Koos van Weringh, der seit mehr als 50 Jahren Karikaturen sammelt, entgangen, welchen prominenten Vertreter dieser Zeichenkunst er da in seiner Sammlung hat.
Krieg, Gewalt und Katastrophen
Die hier gezeigte Auswahl aus dieser Sammlung kapriziert sich auf in Zeitungen erschienene Karikaturen, was dem Umstand geschuldet ist, dass den Organisatoren der Ausstellung ursprünglich der gesamte Komplex „Tod in der Zeitung“ als Thema vorschwebte; ein Ansatz, der sich allerdings schon bald als zu komplex herausstellte. Die Motive der – pars pro toto – stattdessen ausschließlich gezeigten Karikaturen, die den Zeitraum von 1900 bis heute abdecken, kreisen daher im Wesentlichen um die seither geführten Kriege, Gewaltherrschaften und terroristischen Aktivitäten, oft samt entsprechender Vorwarnungen und düsterem Nachhall. Farblich abgesetzt und samt Ereignisleiste gegliedert in Dekaden, ermöglicht die Ausstellung darüber hinaus Rückschlüsse auf jeweils gesamtgesellschaftlich relevante, neue Themen, deren starker öffentlicher Rezeption in den Zeichnungen Rechnung getragen wird, von Bahn- und Automobil-Katastrophen über AIDS und Umweltverschmutzung bis hin zum Börsenbeben. Die dabei verwendete Todessymbolik verrät zudem viel über die Abstraktionsfähigkeit und den Grad der Könnerschaft des jeweiligen Zeichners, sich von klassischen Motiven wie etwa dem „Sensenmann“ zu lösen, um stattdessen subtilere Ausdrucksformen für den Tod zu entwickeln.