Seit dem Jahr 2006 ist der komplette rechte Teil der Fassade des Kasseler KulturBahnhofs eingerüstet – und damit auch die dort seit 25 Jahren ansässige Caricatura Galerie. Als bekannt wurde, dass das in ganz Kassel unpopuläre Gerüst – eine Zierde war es wahrlich nicht – auch die gesamte Zeit der documenta 13 über stehen bleiben würde, machte die Caricatura Galerie kurzen Prozess mit dem unliebsamen Metallkonstrukt.
Stadtbild aufgewertet
Mit Unterstützung der Stadt und dem Kasseler Unternehmen Gerüstbau Westermann wurde das Gerüst verschalt und lässt seitdem den KulturBahnhof in neuem Glanz erstrahlen. Die Aufwertung des Stadtbilds durch diese Maßnahme ist enorm und wurde bereits vielfach gelobt. Doch auch was sich hinter der temporären Fassade der Caricatura Galerie verbirgt, kann sich sehen lassen. Hier hat man den neu gewonnenen Raum in die Ausstellungsfläche der CARICATURA VI, der bundesweit einzigartigen, im Fünf-Jahres-Rhythmus stattfindenden großen Überblicksschau der Komischen Kunst, integriert. Und so finden bis Mitte September gut ein Drittel der 600 Werke von 107 Künstlern aus sieben Ländern in diesem außergewöhnlichen Ausstellungsraum ein Zuhause.
Weltherrschaft
Der Übergang zur regulären Galeriefläche wurde durch einen Durchbruch geschaffen. Zu diesem Zweck musste Martin Sonntag, seines Zeichens Leiter der Caricatura Galerie, eigens sein Büro räumen. Kein Problem, auf dem Weg zur Weltherrschaft der Komischen Kunst müsse man eben auch mal Opfer bringen, konstatiert dieser. Das ehemalige sonntagsche Büro ist nunmehr nicht nur Übergang, sondern bietet ebenfalls zusätzliche Ausstellungsfläche. In diesem Raum finden sich großflächige Gemälde des Berliners Erich Rauschenbach und des Münsteraners Frank Hoppmann, aber auch solche im Postkartenformat des Schweizer Künstlers Noyau nebst Zeichnungen und einem Objekt des Österreichers Rudi Klein.
Übrigens wird Sonntag sein altes Büro wohl auch nach der CARICATURA VI nicht zurückbekommen, denn in der Caricatura Galerie will man die Gelegenheit nutzen, den Eingang langfristig nach vorne zu verlegen und so eine bessere Öffnung hin zum Bahnhofsvorplatz zu erreichen.
Zukunftsweisend
Das verschalte Gerüst selbst funktioniert erstaunlich gut als Ausstellungsfläche. Die konstruktionsbedingten Gegebenheiten wurden kurzerhand auf kreative und ansprechende Weise in die Präsentation eingebunden. So prangen etwa ein Meter mal 1, 50 Meter große Cartoons an den Fenstern der eigentlichen Gebäudefassade. Dort finden sich unter anderem Arbeiten des isländischen Cartoonisten Hugleikur Dagsson und des Niederländers Gummbah, deren Zeichnungen wohl zu den provokantesten der Ausstellung gehören, aber auch des deutschen Newcomer-Cartoonduos Schilling & Blum.
Denn Anspruch der Ausstellungsmacher der Caricatura Galerie war es, neben den Meistern der Komischen Kunst auch solche zu zeigen, die erst in den letzten Jahren auf der Bildfläche erschienen sind, und so auch in die Zukunft der Komischen Kunst zu weisen.
Durch Cartoons wischen
Zukunftsweisend sind auch die Tablet-PCs, die sich perfekt in die leicht technoide Atmosphäre einpassen und auf denen sich die Besucher durch Cartoons „wischen“ können. Hintergrund dieser Präsentationsform ist die Tendenz innerhalb des Zeichnermetiers, Cartoons zunehmend digital zu produzieren – einige Zeichner, wie etwa der Detmolder André Sedlaczek, die Berlinerin Katharina Greve oder auch der Belgier Zaza, arbeiten mittlerweile ausschließlich digital. Innerhalb der CARICATURA VI wird diese Entwicklung nicht nur aufgenommen, sondern auch zeitgemäß damit umgegangen. Digital entstandene Cartoons werden konsequent in digitaler Form präsentiert. Die Präsentation ist sozusagen der Entstehung angepasst.
Der Hamburger Cartoonist Piero Masztalerz setzte noch eins drauf und fertigte eigens für die CARICATURA VI eine Serie von 3D-Cartoons, die im vorderen Teil des Gerüsts auf einem 47-Zoll-Fernseher zu sehen sind. Zahlreiche weitere Details, wie das Abhängen von Objekten von der Decke oder von Cartoon-Großprints von den Gerüststreben mit Ketten, schaffen ein rundes Gesamtkonzept und den Wunsch, öfter Ausstellungen in Gerüsten zu sehen. Hier hat man wahrlich aus der Not eine Tugend gemacht.