Der international bekannte Bildhauer und Zeichner Berahna Massoum hat sein Atelier in Kassel
Die bildhauerische Arbeit beginnt sehr oft mit einem Gespräch. „Ich will die Menschen kennenlernen, die ich porträtiere“, sagt Berahna Massoum, „also lasse ich sie erzählen. Und ich frage.“ Wie ist ein Mensch aufgewachsen? Wie war seine Kindheit, wo sind die prägenden Erlebnisse? Viele Geschichten werden auf dem roten Sofa im Atelier erzählt. Während der Bildhauer zuhört und fragt. Berahna Massoum interessierte sich für die Seele seines Gegenübers, so entsteht ein Gesamtbild. Und das spiegelt sich dann in seiner Kunst wieder. Das ist ganz viel Psychologie gepaart mit ganz viel Können. Ohne Neugier und das Interesse am Menschen ist seine Kunst nicht denkbar. „Psychorealismus“ nennt Berahna Massoum seine ganz besondere Art zu arbeiten. „Jeder Mensch hat Geheimnisse“, sagt er. Die Biographie sei das Wichtigste. Viele dieser Geheimnisse finden sich in seinen Werken verarbeitet. Prägen die Gesichter.
„Psychorealismus“ und Bildhauerei
Im Laufe seines Lebens hat der Bildhauer sehr viele Menschen porträtiert. Viele Büsten sind in seinem Atelier, in seinem Haus, im Garten zu sehen. Aus den Werken des Kasseler Künstlers spricht Lebendigkeit. Und die Freude daran, etwas zu erschaffen. Als Kind in Afghanistan hat er es gemerkt: Das er mit Gips porträtieren kann. Er wuchs als Kind eines Beamten und einer Universitätsdozentin auf. Die Familie hatte viele Gäste, viele Menschen gingen ein und aus. Der junge Berahna beobachtete. Zeichnete Karikaturen. Besonders die Mutter förderte die Begabung. Mit ihr kochte er viel zusammen – und nutze die Gelegenheiten. Formte Teig zu kleinen Kunstwerken, schnitzte Porträts aus Kartoffeln. Seiner Mutter war schnell klar, dass aus dem Jungen einmal ein Künstler würde.
Studium in Moskau
1958 wurde Berahna Massoum in Kabul, in Afghanistan geboren. Er ließ sich dort zum Bildhauer, Zeichner und Kalligraphen ausbilden. Von 1978 bis 1985 studierte er Bildhauerei an der Kunstakademie in Moskau. Seit 1986 lebt er in Kassel. Sein „Kunststudio für Form und Plastische Gestaltung“ hat er in seinem Haus am Brasselsberg. Dort gibt er auch Kurse und sein Handwerk weiter. In Deutschland lernte er zusätzlich noch Steinmetz und Steinbildhauer.
Enthüllen und künstlerisch verarbeiten
Sein Name „Berahna“ verrät viel über den Beruf, der Berufung ist: Berahna, das heißt enthüllt, unbedeckt. Und genau das ist der Kern seiner Arbeit: Der Bildhauer enthüllt nach und nach die Schichten der Seele eines Menschen. Bis er zum wahren Kern vorstößt. Dann kann er seine Porträts gestalten. Das Ganze ist ein Prozess, bei dem sich der Gestaltende und der zu Porträtierende kennenlernen.
Kunst als Brückenschlag
Berahna Massoum lebt von seiner Kunst. Und auch das ist eine Besonderheit. Mittlerweile zählt er viel hessische und internationale Prominenz zu seinen Kunden. Altkanzler Helmut Kohl, Marcel Reich-Ranicki, Talker Alfred Biolek, der Dalai Lama, um nur einige zu nennen: Sie alle haben sich von Berahna Massoum porträtieren lassen. Ein Brückenschlag für die Ewigkeit. Auch darin besteht seine Kunst. Eine Brücke zu schaffen zwischen gestern, heute und morgen. Mit Künstlern wie Ai Weiwei steht er in Kontakt. Auch die lebensgroße Halbbüste der Märchenerzählerin Dorothea Viehmann hat Berahna Massoum nach einer Zeichnung von Ludwig Emil Grimm geschaffen. Sie ist auf dem Märchenplatz in Niederzwehren zu sehen. Das Brüder-Grimm-Museum hat sie bei ihm in Auftrag gegeben.
Leben mit Kunst
Die Schaffenszeit für Büsten sei hauptsächlich im Sommer, sagt Berahna Massoum. Im Winter beschäftigt er sich viel mit Kalligraphie. Berahna Massoum ist Bildhauer, aber auch Zeichner, Dichter, Kalligraph und Designer. Fünf Berufe habe er, sagt er. Fünf Kontinente hat er gesehen, fünf Sprachen spricht er. Zusammen mit seiner Frau Zarmina und den beiden erwachsenen Kindern hat er sich in Kassel ein Zuhause geschaffen, in dem nicht von, sondern mit der Kunst gelebt wird.