Ausgesummt

Naturkundemuseum: Das Insektensterben und seine Folgen
In des Papillons Gestalt / Flatter ich, nach den letzten Zügen, / Zu den vielgeliebten Stellen, / Zeugen himmlischer Vergnügen, / Über Wiesen, an die Quellen, / Um den Hügel, durch den Wald“ – ein Schmetterling wollte er also sein, mit Johann Wolfgang von Goethe Deutschlands wohl bedeutendster Dichter, und so verwundert es kaum, dass sich auch Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums und des Stadtmuseums, schon seit frühester Kindheit für diese zart-bunten Geschöpfe begeistern kann. Zutiefst irritiert musste er dann jedoch ab etwa 2012 feststellen, dass sich etwas zu verändern schien, nicht nur bei den Schmetterlingen, sondern ganz allgemein in der Welt der Insekten: Es wurden immer weniger. Deutlichster Indikator dafür waren nicht zuletzt die Windschutzscheiben der Autos, die plötzlich sauber blieben, frei von dort verendetem Fluggetier.

In Sorge um die Welt der Schmetterlinge und ihrer Verwandten: Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums im Ottoneum. Foto: Mario ZgollNeonicotinoide
Berufskollegen von ihm machten die gleichen Beobachtungen, und auf der Suche nach den möglichen Ursachen für diese Entwicklung sei schließlich der Begriff Neonicotinoide gefallen – heute massenhaft eingesetzte Insektenkiller.

„Der Gesamtzusammenhang ist komplex“, sagt Dr. Füldner und erläutert: „Zum einen hat die Flächenversiegelung wie auch die Zersiedelung in den letzten Jahren immer mehr zugenommen, der Lebensraum für die Insekten wird also immer kleiner.“ In den letzten zehn bis 15 Jahren sei eine neue Entwicklung hinzugekommen: Die durch Subventionen geförderte Ausweitung von Monokulturen.

Riesige Flächen
„Maisäcker etwa gab es früher nicht, heute ist das eine der Hauptpflanzen im Anbau, und Maisfelder sind so ziemlich das Sterilste, das man sich vorstellen kann“, so Füldner. Auch Raps, Weizen und Gerste würden bundesweit mittlerweile in riesigen Flächen angebaut, ohne Durchmischung oder gar Hecken, zugeschnitten allein auf die Bewirtschaftung mit riesigen Landmaschinen. „Dabei wird nur noch 22 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den menschlichen Bedarf genutzt, der Rest sind Energiepflanzen, für Kraftstoffe, und Futtermittel für Tiere.“

Nervensystem angegriffen
Insbesondere Insekten, wie etwa der Kornkäfer, könnten in solchen Monokulturen beträchtlichen Schaden anrichten, daher würden heute, „abgestimmt auf das Saatgut des zumeist gleichen Herstellers“, zum einen Glyphosate eingesetzt, „die gehen nur gegen andere Pflanzen vor“, und eben jene Neonicotinoide. „Das sind die Insektenkiller“, erklärt der Museumschef. „Diese Gifte greifen das Nervensystem der Insekten an; sie töten nicht sofort, lassen die Tiere aber in der Entwicklung eingehen. Das funktioniert perfekt und tötet jedes Insekt auf dem Acker.“ Darzustellen, inwieweit letztlich jeder durch sein Konsumverhalten diese unheilvolle Entwicklung mitträgt und befördert, mit allen damit verbundenen Folgewirkungen – von der Regenwaldabholzung bis hin zur Vergüllung unseres Trinkwassers – und welche Lösungsansätze es dafür bereits gibt, ist Ziel der Ausstellung Ausgesummt, die noch bis zum 14. Oktober im Naturkundemuseum im Ottoneum Kassel zu sehen ist.

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