Classic Car Motorsport auf dem Flugplatz
Wenn es um das dritte Historische Flugplatzrennen in Calden geht, hat die »J & K Automobiles Kulturgut Nordhessen GBR« als Veranstalterin einen heißen Tipp auf ihrer Homepage: „Save the date – Termin vormerken!« Vom 23. bis 25. August 2019 trifft sich auf dem alten Verkehrslandeplatz wieder alles, was in der Szene Rang, Namen und ein Faible für die gute alte Zeit hat, zu gemeinsamen Präsentations- und Testfahrten.
Es liegt allerdings im Auge des Betrachters, was einen Oldtimer, ein Classic Car ausmacht. Ob er noch würdig und in der Lage ist, ein Rennen auf dem 2,4 Kilometer langen Startbahn-Rundkurs zu überstehen. Gemeinhin zählt ein Fahrzeug ab 20 Jahre zu den Youngtimern, jenseits der 30 wird’s historisch. Darüber hinaus spielt etwa der Verfallszustand der Technik-Ikone, oder ihr verbliebener Gebrauchswert eine Rolle. Darf ein Auto als ein Kulturgut altern, mit allem was dazu gehört: Rost, verblichener Lack, abgewetzte Sitze, blinde Scheinwerfer? Oder verlangen große Marken vergangener Epochen eine Rettung um jeden Preis – Schweißarbeiten und Zinnverschlämmungen sobald der Zahn der Zeit zu nagen beginnt?
Schöne Autos, schnelle Motorräder
Einer, der sich mit derlei Spitzfindigkeiten aus dem Effeff auskennt, ist Heinz W. Jordan (58). Der diplomierte Maschinenbau-Ingenieur aus Eschenstruth hat gemeinsam mit seinem Freund Dr. Dietrich Krahn, Urologe aus Kassel, die »J & K« 2013 gegründet, weil sie in schöne Autos und schnelle Motorräder vernarrt sind. „Oldtimerbegeisterte“ nennen sie sich zurückhaltend, zehren aber aus der puren Freude an PS, Drehmoment, Leistungsgewicht und Tempo. Klar, Design und Seltenheitsfaktor spielen eine wichtige Rolle. Aber der Gott, der Öl und Eisen wachsen ließ, der will auch Spaß und Nervenkitzel.
Davon gibt es gegen Ende August überreichlich. Auf Sicherheit und Ordnung entlang der Bahn, am Vorstart und im Fahrerlager werden die Leute vom MSC Emstal achten. Feuerwehr und Sanitätsdienst werden parat stehen. Zirka 60 Helfer, nach Jordans Worten „vom Jugendlichen mit Elan bis zum ruhigen Rentner“, wollen wieder zu einer Rennveranstaltung beitragen, über die die Gäste noch lange reden. Vier- bis Achttausend könnten wohl kommen.
Letzte Fahrt in die Boxengasse
Und wer weiß, vielleicht schaut auch einer der ganz Großen in Calden vorbei. Die Namen auf der Liste potenzieller Ehrengäste des Rennveranstalters lesen sich wie ein Adelsregister des Motorsports: Prost, Piquet, Patrese, Mass, Stuck, Winkelhock, Pescarola, Bell, Wimmer … Sie fuhren Tourenwagen oder Superbikes, saßen in der Gespannklasse, waren Werksfahrer, gefragte Formel-1-Piloten oder rasten auf der Langstrecke als ewig jung Gebliebene ins Andenken ihrer Fans. Beim Gedanken an diese Renn-Asse lächelt Jordan, viele kennt er persönlich: „Mir wäre jeder einzelne willkommen. Wir geben ihm die Gelegenheit, noch einmal Teil eines Rennens zu sein.“ In Ehren sind die Männer ergraut. Einige schon vor Jahrzehnten zum letzten Mal in die Boxengasse gefahren. In die Rente gegangen – genauso wie ihre Autos.
Die Glanzzeit des Motorsports lassen Jordan und Krahn am Hochsommerwochenende auf dem Verkehrslandeplatz aber dennoch mit einem »großen Bahnhof« noch einmal Revue passieren. Immerhin stellt Calden neben Hildesheim das letzte Flugplatzrennen Deutschlands. Da darf der Geist der Renngeschichte gerne übers Gelände wehen.
Event zum Anfassen
Das diesjährige Starterfeld ist mit an die 400 Nennungen prall gefüllt und ausgebucht. Vom Vorstart Richtung Pole Position rollen womöglich Geschosse wie der Lotus Eleven, der urgewaltige Protos, der elegante Triumph Tiger, oder die breitbeinigen Porsche aller Jahrzehnte. Da die Besucher für ihre zehn Euro Eintrittsgeld (Kinder bis 14 Jahre gratis) auch freien Zugang zum Fahrerlager haben werden, können sie alles hautnah miterleben. Das historische Flugplatzrennen Calden soll ein Event zum Anfassen bleiben.
Für jeden Boliden gibt es die gebührende Altersgruppe und Fahrzeugklasse. Der NSU Prinz ist ebenso dabei wie die Riege der Kleinen Wilden aus Turin; Jordan selbst will mit seinem 71er Fiat 500 die Caldener Startbahn messen. „Der hat nur 34 PS, fährt aber allen davon“, wagt er eine Kampfansage und ist überzeugt: „Viele Fahrer haben noch aus den 80er-Jahren was auszufechten. Auf der langen Geraden darf mit Tempo 250 gerechnet werden.“
Liebe zur Patina auf Lack und Leder
Gefahren wird, was Mensch und Maschine hergeben – und sollte doch einmal die Verantwortung fürs historische Blech noch vor der Technik die maximal vertretbare Motor-Drehzahl abregeln, dann nimmt das in der Box und auf den Rängen ganz sicher niemand übel. Schließlich liegt der Wert ikonografischer Ingenieurskunst vor allem in der Liebhaberei. Hoch ambitionierte Preisgeld-Jäger werden in Calden nicht auf ihre Kosten kommen. Das Flugplatzrennen soll vor allem Emotionen wecken. Anspruchsvolle historische Fahrzeuge sind als Raritäten ohnehin unbezahlbar. Jordan sagt: „Solche Autos verkauft man nicht. Man vererbt sie oder gibt sie in gute Hände.“
Classic Cars sind Herzensangelegenheit und Vertrauenssache unter Gleichgesinnten. Ehrfurchtgebietende Kilometerstände und eine gut belegte original Fahrzeughistorie lassen schnelle Rundenzeiten somit gern zur Nebensache geraten. Lieber unterhalten sich die Fahrer über die Patina klimatisch aufdringlicher Jahrzehnte, die sich auf Lack und Leder ihrer Automobile und Zweiräder absetzt. Wieviel moderne Punktnaht vertragen Chassis und Aufbau eines 1958er Austin Healey »Froschauge«, ohne dass die Originalität verloren geht? Ist ein Lotus Eleven Le Mans noch „wie vom Fließband“, wenn seine Sitze zwar optisch ansprechend aufgepolstert, aber eben nicht mehr original sind?
Für die Benzingespräche in Grischäfers Biergarten im Startbereich des Renngeländes gibt es also reichlich Stoff unter den Rennfahrern und ihren Crews aus der Schweiz, aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Natürlich darf auch das Publik fachsimpeln. Im Tross am Fahrerlager werden sich eigens dafür acht bis zehn Oldtimer-Clubs an ihren Info-Ständen präsentieren.
Mehr zum Programm und Veranstalter:
www.automobiles-kulturgut.org