China auf neuen Wegen

Ausblicke beim Kaminabend des Netzwerks Hessen-China
Die mit großer Freude begrüßte Anwesenheit von Gesandter-Botschaftsrat WANG Weidong aus der Berliner Botschaft der Volksrepublik China zeige, wie dieser das Netzwerk schätze, so Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep, Präsident des Deutschen Studentenwerks, in seiner Ansprache an die Gäste des traditionellen Kaminabends. Nach der Aufbauphase des Netzwerks Hessen-China, unter der Ägide des ehemaligen hessischen Wirtschaftsministers Alfred Schmidt und Prof. Dr.-Ing. habil. ZENG Dashun, werde die nächste Entwicklungsstufe nun von einem Team getragen, dessen aktuelles Präsidium aus Dr. Gabriela Soskuty, der Braun Melsungen AG, Prof. Dr. Martin Lawerenz, der Universität Kassel, Oberbürgermeister a.D. Bertram Hilgen und ihm selbst bestehe.

„Historische Chance zum gegenseitigen Vorteil“: Bertram Hilgen (Oberbürgermeister a. D.), Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep (Präsident des Deutschen Studentenwerks), Kai Lorenz Wittrock (Wirtschaftsförderung Region Kassel GmbH), Dr. Gabriela Soskuty (B. Braun Melsungen AG), Prof. Dr.-Ing. habil. ZENG Deshun (Netzwerk Hessen-China), Prof. Dr. Martin Lawerenz (Universität Kassel), Nicole Holzapfel und Sabine Geiser (Wirtschaftsförderung Region Kassel GmbH) (v.l.). Foto: Netzwerk Hessen-China/Harry Soremski

„Historische Chance zum gegenseitigen Vorteil“: Bertram Hilgen (Oberbürgermeister a. D.), Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep (Präsident des Deutschen Studentenwerks), Kai Lorenz Wittrock (Wirtschaftsförderung Region Kassel GmbH), Dr. Gabriela Soskuty (B. Braun Melsungen AG), Prof. Dr.-Ing. habil. ZENG Deshun (Netzwerk Hessen-China), Prof. Dr. Martin Lawerenz (Universität Kassel), Nicole Holzapfel und Sabine Geiser (Wirtschaftsförderung Region Kassel GmbH) (v.l.). Foto: Netzwerk Hessen-China/Harry Soremski

In Ankündigung des Impulsreferates zum Thema »Belt & Road Initiative«, besser bekannt als »Die Neue Seidenstraße« und gehalten von Marina Salland-Staib, Vorstandsmitglied im IDCA – Internationale Deutsch-Chinesische Belt & Road Allianz e.V. sowie Inhaberin des China Partners Instituts, vormals Executive Manager der Daimler AG, sagte Postlep: „Das ist ja für uns alle ein Begriff, der in jeder Hinsicht vielfältig ist.“ Mit deren historischen Vorgängerin wohlvertraut, habe er die konkrete Definition für diese »Neue Seidenstraße« indes noch nicht gefunden. Darauf anspielend, gab Gesandter-Botschaftsrat WANG in einem Grußwort seine Ansicht kund, dass es noch einen großen Spielraum gebe, um das Potenzial der wirtschaftlichen Zusammenarbeit weiter zu erschließen. „China und Deutschland sind jeweils die zweit- und viertgrößte Volkswirtschaft der Welt“, so WANG. Um mehr Kooperationsmöglichkeiten von Unternehmen aus beiden Ländern zu schaffen, müsse jedoch die Grundvoraussetzung erfüllt werden, dass man zuvor zu einem verstärkten Austausch und größerem Vertrauen gelangt sei. „Ehrlich gesagt sehe ich da einen großen Verbesserungsbedarf“, wie WANG es formulierte. „Das liegt vor allem daran, dass es immer noch viele Missverständnisse und Vorurteile von deutscher Seite gegenüber China gibt.“ Diese „falsche Einstellung“ finde sich nicht nur in deutschen Medienberichten, sondern etwa auch in vielen öffentlichen Reden von Politikern. „Vor diesem Hintergrund ist die Funktion des Netzwerks Hessen-China besonders wichtig für uns.“

Eine historische Chance
Konkret zum Projekt »Neue Seidenstraße« sagte WANG: „Seit 2013 wird die »Belt & Road Initiative« von China angeboten, als eines der beliebtesten öffentlichen Projekte der Welt.“ Bis August 2019 hätten im Rahmen dieser Initiative 136 Länder und 30 internationale Organisationen insgesamt 195 Kooperationsabkommen mit China unterzeichnet. Zudem seien die Initiative und ihre Kerngedanken in die Eckpunktpapiere von Vereinten Nationen, G20 und APAC aufgenommen worden, so wie es dadurch auch neue Impulse für die chinesisch-europäische Partnerschaft gegeben habe. „Bis heute haben zum Beispiel mehr als 12.000 Güterzüge zwischen China und Europa verkehrt“, führte WANG aus. „Immer mehr europäische Länder geben ihre Missverständnisse und Vorurteile auf. Sie fangen an zur Kenntnis zu nehmen, dass die »Belt & Road Initiative« keine Falle, sondern eine historische Chance zum gegenseitigen Vorteil ist.“ Dies bestätigte auch Marina Salland-Staib, die Anfang der 70er Jahre, als China gerade damit begann, diplomatische Beziehungen mit westlichen Ländern aufzunehmen, zu den zehn ersten deutschen Studenten der Sinologie gehörte, die für ein Jahr in dieses Land aufbrechen durften. Als intime Kennerin Chinas gab sie in ihrem Impulsreferat Einblicke in ihr profundes Wissen: „Ich habe mich mit dem Papier befasst, das am 15. März 2015 herausgegeben wurde von der chinesischen Reform- und Entwicklungskommission, zusammen mit dem Handelsministerium, und habe festgestellt, dass es absolut klar, eindeutig und schlüssig beschrieben ist, was die »Belt & Road Initiative« sein soll.“

Den Blick erweitern
Man könne diese Initiative als eine neue Art der Globalisierung bezeichnen, bei der es letztlich darum gehe, Asien, Europa, Afrika und gegebenenfalls auch noch Süd- und Mittelamerika infrastrukturell und durch wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen näher zu verbinden. Dies wolle man auf der Grundlage von fünf Kernelementen erreichen. Am Anfang stünden politische Konsultationen, bei denen die beteiligten Länder vorbringen, welche Projektwünsche sie haben und wo es den größten Finanzbedarf gebe. Zweites Element seien Zugverbindungen, Straßenverbindungen, aber auch Pipelines und Infrastrukturprojekte, die darauf abzielen, den Warenverkehr zu beschleunigen sowie neue Wertschöpfungsketten entlang dieser Strecken zu bauen. Zumeist auf bilateraler Basis vereinbart, gebe es inzwischen bereits 30 entsprechende »Korridore«. Essentiell sei ebenso ein ungehinderter Handel, bei dem es keine Rolle spiele, welche Staats- und Regierungsform das beteiligte Land habe. Viel wichtiger sei der Abbau von Handelsbarrieren. Als viertes Element gehe es um Finanzziele, zu denen für China insbesondere die Internationalisierung des Renminbi, der chinesischen Währung, zähle und dessen Zulassung im Zahlungsverkehr. Vor allem hierzulande noch völlig unterschätzt sei das fünfte Element: People to People, Völkerverständigung. Dabei werde ein breit angelegter Austausch insbesondere unter jüngeren Leuten angestrebt, verbunden etwa mit der Förderung von Stipendien und Austauschprogrammen, Tourismus, Popkonzerten, Fashion-Shows und Filmfestivals, aber auch der Gesundheit, zum Beispiel durch Seuchenbekämpfung. „Man muss den Blick erweitern“, so Marina Salland-Staib. Denn es gehe bei »Belt & Road« eben nicht nur um Wirtschaft, „sondern auch – ganz wichtig – um die menschlichen und kulturellen Aspekte.“

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