111 Jahre Café- und Konditoreitradition in Kassel: Eines der ältesten noch bestehenden, familiengeführten Caféhäuser in Deutschland feiert im November seinen Geburtstag. An jedem Standort hat sich das Café Nenninger neu erfunden. Besonders stolz ist der Eigentümer Klaus Nenninger darauf, „dass wir es geschafft haben, generationsübergreifend Gäste anzusprechen“: Die Fortführung traditioneller Caféhauskultur in zeitgemäßer Form. Dieses Vorhaben war jedoch nicht immer einfach, denn in Kassel gibt es kein anderes Café mehr, das sich seit mehreren Generationen in Familienbesitz befindet. Doch wer die Kasseler, Kasselaner und Kasseläner seit über 100 Jahren kennt, weiß auch deren Geschmack einzuschätzen und schafft es, diesen immer wieder mit neuen Kreationen zu überraschen. Pünktlich zur Adventszeit wird neben dem Duft frischgebacke-ner Plätzchen auch der „Kasseler Adventskalender“ und die „Herkulesschatzkiste“ Kunden in das Café am Friedrichsplatz locken.
Begonnen hat die Geschichte des Café Nenninger mit der Übernahme des „Café Dippel“ in der Wilhelmshöher-Allee im Jahr 1900 durch Siegfried und Emma Nenninger. Nach zahlreichen Stationen bei führenden Konditoreien in ganz Deutschland ließ sich der Konditormeister schließlich in Kassel nieder. 1935 übernahm Willi Nenninger zusammen mit seiner Frau Thea den elterlichen Betrieb. Im Krieg wurden die Geschäfte zerstört. 1949 wurde im Forstbachweg in Bettenhausen das erste Café Nenninger der Nachkriegszeit eröffnet.
Klaus Nenningers erste Erinnerungen gelten dieser Zeit. „In einem ehemaligen Lagerhaus eröffneten meine Eltern eine Konditorei mit einem winzigen Café. Jedoch saßen die Gäste meistens in der Backstube oder in der Küche. Feste Ladenöffnungszeiten gab es keine. Jeder kam und klingelte, wann immer er das Bedürfnis hatte, schlimmen Erinnerungen oder dem Alltag zu entfliehen.“ Vielleicht hat sich aus dieser Zeit das Bestreben entwickelt, einen Ort zu schaffen, an dem man sich eine kleine Pause vom Alltag gönnen kann. Wenn man in der Herbstsonne auf der großen Terrasse des Café Nenninger am Friedrichsplatz bei einem Stück Märchentorte sitzt, könnte man meinen, diesen Ort gefunden zu haben.
Eine enge Verknüpfung zur documenta gibt es schon seit 1955. Schülerinnen und Schüler des documenta-Gründers Arnold Bode gestalteten die 1955 eröffnete Milchbar „Lido“ am Ständeplatz. Hier zeigt sich die Anpassungsfähigkeit des Café Nenninger. „Lido war der genaue Gegensatz zu unserer kleinen Konditorei in Bettenhausen“, berichtet Klaus Nenninger. „Die Studierenden der Kunsthochschule haben mit kleinem Budget große Ideen umgesetzt.“ 1976 übernahm der Konditormeister den elterlichen Betrieb in der Kasseler Innenstadt und eröffnete im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner Frau Verena die Cafébar im „dez“-Einkaufszentrum. 2002 folgte der Umzug an den Friedrichsplatz mit einem völlig überarbeiteten Konzept. Dort lässt sich heute das wohl längste und vielfältigste Tortenbuffet Kassels bewundern.