Connichi 2012: Nur nicht mit links

Alle Jahre wieder beleben sie zum Ende des Sommers hin für ein langes Wochenende das Kasseler Stadtbild, und das ungemein: wahre Massen von Manga- und Anime-Fans – in diesem Jahr, mit neuem Rekord, 21.000 – die kostümiert zum Ort ihrer Sehnsucht streben, dem Kongress Palais Stadthalle. In dessen Räumlichkeiten, die auch allesamt intensiv genutzt werden, findet seit 2002, veranstaltet vom mittlerweile 130.000 Online-Mitglieder zählenden Verein Animexx, die große Convention statt, das Zusammentreffen von Fans japanischer Kultur, insbesondere Jugendkultur. Hier verkörpern die überwiegend weiblichen, in ihrer Mehrzahl zwischen 14 und 21 Jahre alten Besucher die Helden und Heldinnen, Schurken, Bösewichte, Weltenretter und Sumpfnixen, von denen die japanische Spielart der Comic- und Zeichentrickwelt nur so wimmelt – ein wahrhaft pittoreskes Bild, das sich vor allem im angrenzenden Stadthallengarten jedes Mal in Opulenz entfaltet. Doch im Inneren des Gebäudes, das nur zahlenden Besuchern zugänglich ist – zu Preisen von 19 bis 56 Euro – liegt der Akzent weniger auf reinem Posen; hier wird an drei Tagen vielmehr auch ein aufwändiges Unterhaltungs- und Informationsprogramm geboten, das unter anderem zahlreiche Vorträge und Kurse zum Mitmachen beinhaltet. Ein Erfahrungsbericht.

Auf der Connichi 2012 kamen die Freunde der japanischen Kultur wieder voll auf ihre Kosten und auch die zahlreichen Zaungäste hatten ihren Spaß. Foto: Mario Zgoll

Auf der Connichi 2012 kamen die Freunde der japanischen Kultur wieder voll auf ihre Kosten und auch die zahlreichen Zaungäste hatten ihren Spaß. Foto: Mario Zgoll

Aufrecht Wasser malen
Zur Einführung stellen Kalligrafie-Workshopleiterin Yumi Kitauchi-Olbrich und ihr Co-Coach anhand des Begriffes „Mondlicht“ die drei Stile der japanischen Schönschrift-Kunst vor: die eher geradlinige, ordnungsbetonte Kaisho, die halbkursive, für schnelles Schreiben geeignete Gyosho und die kursive, besonders für freien Ausdruck gedachte Sosho. Dazu werden die richtige Handhabung des Tuschepinsels vorgeführt und sogleich einige der anwesenden Linkshänder aufgescheucht, als es heißt: „Man kann Kalligrafie nicht mit links machen.“ Das sei aber auch nicht weiter schlimm, so der Co-Trainer, denn: „Ich habe selbst erst mit 49 Jahren angefangen mit rechts zu schreiben, macht es doch einfach mal!“ Die rund 20 Crashkurs-Teilnehmer stürzen sich daraufhin geschlossen in die Erprobung ihrer künstlerischen Ader, begleitet von dem ermutigenden Rat: „Und beim Malen immer schön aufrecht sitzen. Denn das ist wie bei allen japanischen Dingen: Die Energie kommt immer aus dem Zentrum.“ Yumi Kitauchi-Olbrich führt kurz darauf das Zeichen „hito“ vor, das „Menschen“ bedeutet, sowie die simpel anmutende und dennoch eher schwer korrekt zu malende Kaisho-Ausformung des Begriffes „groß“, gefolgt von „Mizu“ für „Wasser“ und „Ko“ für „Kind“. Nach zahlreichen weiteren Übungen dürfen alle einen ansehnlichen Packen japanischer Zeitungsseiten mitnehmen, die als Malgrund gedient haben. Und vor der Tür wartet bereits ungeduldig die nächste Gruppe japanophiler Pinsel-Aspiranten.

Foto: Mario Zgoll

Foto: Mario Zgoll

In Schubladen denken
„Gehen wir mal davon aus: Ihr habt hart daran gefeilt und das Ding kann jetzt raus“, sagt Autorin Kerimaya alias Nina Behrmann zu Beginn ihres Vortrags „Buch fertig – und wohin damit? Wie man sein Buch an den Mann bringt“. „Nun habt ihr zwei Möglichkeiten: Einmal den Agenten, und einmal eine direkte Initiativ-Bewerbung beim Verlag.“ Für beides sei das entsprechend formvollendete Anschreiben wichtig, sogar „extrem wichtig“, und vor allem eine exakte inhaltliche Zuordnung des eigenen Werkes samt konkreter Zielgruppe. Kerimaya: „Denn Verlage lieben Schubladen – weil Buchhändler Schubladen lieben.“ Ganz besondere Beachtung sei ebenfalls dem „Pitch“ zu widmen, „dem Schlimmsten, was man als Autor jemals schreiben muss: eine in kurzen Sätzen gehaltene Zusammenfassung, aus der hervorgeht, was Euer Buch so besonders macht und warum das gefälligst gekauft werden soll.“ Ihre Vorgabe dafür: Was man in 30 Sekunden vermitteln kann, gemessen in Redezeit. „Mein Buch spielt in einer eigenen Fantasy-Welt, und dann sind da neun Leute, die haben da so einen Ring gefunden und den müssen sie jetzt irgendwo abgeben“ – so hätte Tolkien sein Buch sicher nicht an den Mann gebracht, wie Kerimaya erläutert. „Wenn man hingegen beginnt mit: ’Das Schicksal einer gesamten Welt liegt in der Hand einer der unscheinbarsten Kreaturen, die weder kämpfen kann noch besondere Fähigkeiten besitzt’, fängt man schon eher an, die Ohren zu spitzen.“ In diesem launigen Stil geht es weiter, und am Ende der Veranstaltung, während derer auch viele Fragen aus dem Publikum beantwortet werden, kann jeder eine Fülle praktikabler Anregungen und wichtiger Tipps und Tricks aus der Erfahrung der erfolgreichen Autorin, die neben Paranormal Romance und Urban Fantasy auch erotische Märchen und Romane schreibt, mit auf seinen eigenen Weg nehmen. So starten Karrieren, inmitten von Pokémons und Gothic Lolitas.

Foto: Jan Hendrik Neumann

Foto: Jan Hendrik Neumann

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