Im Gespräch mit Andreas Helbig von der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft
Die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG) hat ihre Weichen für die Zukunft gestellt. Mit nachhaltigen Konzepten macht sie mobil. Immer mehr Fahrgäste sagen ja zu diesem Angebot. Die Kassler liegen im Trend: Immer mehr entdecken Bus und Bahn für sich und verzichten auf den eigenen Pkw. 2012 verzeichnete die KVG 43,4 Millionen Fahrgäste. Das ist ein Plus von 1,5 Prozent – im bundesweiten Vergleich ein überdurchschnittliches Wachstum. Mehr als jeder fünfte Weg in Kassel wird mit dem Bus oder der Bahn zurückgelegt – auch das ist ein Spitzenwert. Kein Wunder! Schließlich punktet die KVG mit einem gut ausgebauten Streckennetz, einem dichten Fahrplantakt und einer zeitgemäßen Flotte mit ausreichend Beförderungskapazitäten und Komfort.
Die KVG stützt und fördert mit ihrem Konzept des öffentlichen Nahverkehrs seit vielen Jahren die Entwicklung von Kassel als dynamischer Arbeits-, Wirtschafts-, Ausbildungs-, Freizeit- und Wohnstandort – davon ist Vorstandsvorsitzender Andreas Helbig überzeugt. „Städte funktionieren nur mit einem gut ausgebauten ÖPNV. Um der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik Kassels gerecht zu werden, muss er stetig weiterentwickelt werden.“ Dem entgegen stehen allerdings auch hohe Kosten.
ÖPNV soll noch attraktiver werden
Aus diesem Grund arbeitet die KVG an einem neuen Gesamtkonzept, um die Qualität zu steigern, das Angebot zu erweitern und Kosten senken – kurzum: ÖPNV noch attraktiver und wirtschaftlicher zu machen. „Es geht um eine Liniennetzreform“, sagt Helbig. Dabei wird alles auf den Prüfstand gestellt: jeder Linienverlauf, sämtliche Takte, Haltestellendichte, Fahrzeugkapazitäten und Personaleinsatz. „Kassel hat sich in den vergangenen 20 Jahren strukturell verändert. Wir müssen unser Angebot dem anpassen. Es geht nicht darum Leistungen zu reduzieren, sondern um einen gezielteren und wirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen, und darum neue Fahrgäste zu gewinnen.“
Ein wesentlicher Aspekt für Zukunftsfähigkeit ist auch der Flotten-Standard. Denn nicht nur die Prädikate „Umweltfreundlich“ und „Pünktlich“ spielen eine Rolle, sondern auch Komfort. Die KVG hat ihre Flotte mit 22 neuen Niederflurtrams verjüngt. Damit sind alle Kasseler Trams bequem und barrierefrei nutzbar. „Niederflurigkeit von Bahnen und Haltestellen ermöglicht auch den schnelleren Ein- und Ausstieg. Diese kürzeren Fahrgastwechselzeiten erlauben eine schnellere Beförderung, was nicht nur für Fahrgäste attraktiver ist, sondern dazu beiträgt, den Fahrzeugbedarf zu reduzieren“, erläutert Helbig. 55 Millionen Euro hat die KVG investiert: „Schwer zu stemmen, aber notwendig.“
Kassel war 1991 die erste Stadt Deutschlands, die Niederflurfahrzeuge einsetzte. 15 Trams der ersten Generation, die sogenannten 6ENGTW, werden in den KVG-Werkstätten modernisiert. Für das Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. „90 Prozent der Investitionen bleiben in der Region“, sagt Helbig. „Zudem sichern wir damit 850 qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort.“ Dafür sorgen auch die Verlängerung der Tramkonzessionen und die 50-prozentige Beteiligung der KVG an der neuen RegioTram Gesellschaft (RTG). „Für uns ist das ein weiterer wichtiger Schritt für eine langfristige wirtschaftliche Weiterentwicklung.“
E-Bustechnik im Praxistest
Ohne ÖPNV wird es nicht gelingen, die Klimaschutzziele zu erreichen – auch davon ist Helbig überzeugt. „Mit der Energiewende allein wird das nicht gelingen.“ Die KVG setzt auf Elektromobilität. Für sie nichts Neues – schließlich fahren Straßenbahnen traditionell mit Strom. Bei den Bussen sieht das anders aus – hier stellen sich E-Fahrzeuge gerade an die Startlinie. Bisher sind sie zu teuer, haben eine zu geringe Reichweite und benötigen zu lange Ladezeiten, erläutert Helbig.
Das Kasseler Unternehmen beobachtet die Entwicklungen genau und hat während der documenta (13) einen ersten E-Bus getestet. Während des Hessentages im Juni hat ein zweijähriger Feldversuch mit einem zweiten E-Bus begonnen: „Die Bushersteller sind auf die harten Praxistests der Nahverkehrsunternehmen angewiesen, um ihre Fahrzeuge zur Marktreife zu entwickeln. Wir gehen davon aus, dass sich die Abgasnormen in den Innenstädten weiter verschärfen. Auch aus dem Grund sind ÖPNV-Unternehmen gut beraten, sich schon heute intensiv mit der E-Bustechnik zu beschäftigen.“
Eingebettet ist dieser Test in das vom Bundesverkehrsministerium geförderte Forschungsprojekt FREE unter der Federführung des Regionalmanagements Nordhessen. Ziel ist, umweltfreundliche Fahrzeuge wie Busse und Bahnen, Elektro-Autos und Pedelecs intelligent und nachhaltig zu verknüpfen. Die KVG nimmt bei FREE eine zentrale Rolle ein: Sie entwickelt ein multimodales Konzept, plant Standorte für das Zusammenspiel der Verkehrsmittel und der Ladesäulen, gewinnt kooperationswillige Hotels für den Vertrieb, schafft E-Autos an und wird Carsharing-Partner. Darüber hinaus beteiligt sie sich an der Entwicklung eines Buchungsportals und am Vertrieb.
„Die Nutzung soll möglichst einfach und attraktiv sein. Hinter solchen Projekten steht natürlich der Wunsch, Menschen mehr Mobilität zu ermöglichen. Es geht um umweltfreundliche Mobilität und darum, die begrenzten Mittel clever einzusetzen“, sagt Helbig. Die KVG versteht den öffentlichen Nahverkehr als das leistungsstarke Rückgrat der erweiterten, umweltfreundlichen Mobilität und erhofft sich von solchen multimodalen Angeboten auch mehr Fahrgäste zu gewinnen.
100 Prozent klimaneutral
Seit langem ist die KVG Vorreiter in Sachen Ökologie. Seit 2007 fahren die Bahnen zu 100 Prozent mit Strom aus Wasserkraft. Die gesamte Busflotte ist seit 2010 CO2-neutral gestellt. 2012 wurde die KVG vom Tüv Nord als erstes und einziges ÖPNV-Unternehmen in Deutschland als klimaneutral zertifiziert. „Wer Bus und Bahn fährt, hat das Gefühl, einen guten Beitrag für den Umweltschutz zu leisten, und das ist auch so. Wir wollen dabei nicht stehenbleiben, sondern mehr tun. Unser gesamter Konzern KVV, zu dem neben der KVG die Städtischen Werke gehören, setzt gezielt und intensiv auf Umweltschutz“, sagt Helbig.