Alle reden vom autonomen Fahren! Wir auch?

Ein Gastbeitrag von Wirtschaftsminister a.D. Dieter Posch

Üblicherweise stellt man sich autonomes Fahren aus der Sicht des einzelnen Autofahrers so vor, dass der die Hand in den Schoß legt und zuschaut, wie sich das Lenkrad von alleine dreht, und er dabei seine Zeitung liest, ungestört telefoniert, mit den Kindern spielt und ausgeruht am Ziel ankommt. Bei dieser Vorstellung bleibt er individueller Verkehrsteilnehmer, dessen Strecke und Fahrweise sich aus seinen spontanen Einzelentscheidungen ergeben. In Zukunft entscheidet er zwar noch immer individuell, wann er startet und wohin die Fahrt gehen soll, aber wie gefahren wird, bestimmt eine Systemsteuerung, die die Strecken nach Verkehrsaufkommen, besonderen Regulierungen für alternierende Streckenbelastungen etc. aussucht und festlegt.

Dieter Posch, hessischer Wirtschaftsminister a.D. Foto: Jürgen RöhrscheidTerrain zurückgewinnen
Wer in Zukunft Autofahrer, also verantwortlich für das Führen eines Fahrzeugs ist, ist völlig unklar. Unabhängig hiervon versucht die deutsche Automobilindustrie endlich, bedrängt durch amerikanische Wettbewerber aus dem Bereich der digitalen Wirtschaft, verloren gegangenes Terrain zurückzugewinnen. Mit eigens entwickelten vollelektrischen Kleinbussen will VW in Großstädten Shuttle-Dienste anbieten. Daimler und BMW bieten mit DriveNow und Car to go -Systeme an, um als Mieter Autos bei Bedarf mieten zu können. Die Automobilhersteller werden zum Mobilitätsanbieter.

Ländlichen Raum mit einbeziehen
Die Zukunft ist also schon näher als wir glauben! Aber wo finden diese Versuche und Experimente statt? Dort, wo man glaubt, in Zukunft viele Fahrgäste gewinnen zu können. Es ist natürlich naheliegend, dass sich das Interesse an dieser neuen, modernen Mobilitätspolitik auf die Ballungsräume konzentriert, aber muss das so ausschließlich sein?

Wäre das nicht eine Möglichkeit, den ländlichen Raum, der unter den Folgen der demografischen Entwicklung besonders leidet, in die Überlegungen einzubeziehen? Die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum sind höchst defizitär und nur durch immense Subventionen möglich. Bedarfsgerecht ist die Andienung im ländlichen Raum weder für junge Menschen, geschweige denn für die ältere Generation. Der Kostendeckungsgrad so mancher aufrechterhaltener Buslinie dürfte zwischen zehn und 20 Prozent liegen. Es gibt eben nur noch wenige potentielle Fahrgäste in diesen „Entleerungsgebieten“. Automatisiert fahrende Elektro-Kleinbusse könnten künftig regionale Strecken mit geringer Nachfrage flexibler und kundengerechter bedienen. Aber von derartigen Pilotprojekten in Nordhessen liest man nichts!

Es geht um mehr als Geld
Unlängst wurde im Landtag die Frage erörtert, ob nicht das House of Mobility (Holm) ein Verkehrskonzept für den ländlichen Raum unter Einbeziehung der neuesten technischen Entwicklung erarbeiten könne. Es gab leider keine positive Entscheidung. Es soll nicht verkannt werden, dass sich durch eine ständig verbesserte Finanzierung des hessischen und insbesondere des nordhessischen Nahverkehrs einiges zum Guten verändert hat. Aber es geht um mehr als Geld, um mehr als um die Verteilung von Regionalisierungsmitteln. Es geht darum, auch strukturelle Veränderungen zu wollen und zu realisieren.

„Selbstfahrende Autos: Das Ende von Bahn, ÖPNV & Taxi“ las ich neulich in einem Artikel über das deutsche Zukunftsinstitut 2b AHEAD Think Tank. Das mag übertrieben sein. Fest steht aber auch, dass die Digitalisierung der Wirtschaft gravierende Auswirkungen auf das Mobilitätsangebot haben wird. Und davon sollte auch und gerade der ländliche Raum profitieren.

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