„Alkohol sollte wieder etwas Besonderes sein“

Die Kasseler FDP-Politikerin Mechthild Dyckmans, seit 2009 Drogenbeauftragte der Bundesregierung, im Gespräch mit Jérôme-Redakteur Jan Hendrik Neumann

Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans. Foto: Mario Zgoll

Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans. Foto: Mario Zgoll

Jérôme: Frau Dyckmans, warum hat man gerade Sie zur Drogenbeauftragten ernannt?

Mechthild Dyckmans: Meines Wissens wollte man jemanden mit Lebenserfahrung und auch mit juristischem Sachverstand. Nach der Devise: Im Gesundheitsministerium schadet es nichts, wenn auch eine Juristin mit in der Führungsebene ist.

Jérôme: Es gibt also tatsächlich FDP-Mitglieder, die keine Juristen sind?

Dyckmans: Die gibt es, ja. Eines Sonntagnachmittags hat mich Herr Dr. Rösler angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, diese Position zu übernehmen. Das kam für mich auch recht überraschend und ich habe ihn daher um etwas Bedenkzeit gebeten. Ich habe es dann jedoch als Herausforderung betrachtet, noch einmal etwas ganz anderes zu machen, und gerne zugesagt.

Jérôme: Wie halten Sie es denn selbst mit Drogen, also etwa Tabak oder Alkohol?

Dyckmans: Ich rauche nicht und trinke nur gelegentlich, in Maßen, jedoch nie tagsüber und auch nie, wenn ich Auto fahre. Für Jugendliche und Fahranfänger sind 0,0 Promille vorgeschrieben. Als meine Kinder den Führerschein machten, haben wir gemeinsam entschieden: Wer fährt, trinkt nicht!

Jérôme: In Ihren Jugendjahren – den 60er und 70ern, in denen das ja sehr populär war – hat es Sie nie gereizt, selbst mal einen Joint zu probieren?

Dyckmans: Nein. Meine Eltern haben beide sehr stark geraucht und das hat uns als Kinder immer gestört. Und ich habe dabei auch mitbekommen, wie abhängig schon Zigaretten machen können, und wie schwer es ist, mit dem Rauchen aufzuhören. Das wollte ich nicht. In meiner Familie wurde durchaus mal Wein getrunken; aber das war dann immer etwas ganz Besonderes. Und ich glaube, dass uns diese Haltung inzwischen verloren gegangen ist, denn heute gehört es doch zum Alltag, zu jeder sich bietenden Gelegenheit Alkohol zu trinken. Das sollten wir überdenken.

Jérôme: Sind Sie während Ihrer bisherigen Tätigkeit als Drogenbeauftragte mit Suchtproblematiken konfrontiert worden, die Ihnen bis dahin in ihrer Tragweite nicht bewusst waren?

Dyckmans: Es hat mich sehr betroffen gemacht, als ich erfahren habe, dass in Deutschland jedes Jahr 10.000 alkoholgeschädigte Kinder in Deutschland geboren werden, davon 4.000 Kinder mit dem Vollbild des Fetalen Alkoholsyndroms, einer Erkrankung, die zu hundert Prozent vermeidbar ist, weil sie allein darauf zurückzuführen ist, dass die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat. Das Fetale Alkoholsyndrom führt zu einer lebenslangen körperlichen und geistigen Behinderung. Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass man, wenn man ein Kind unter dem Herzen trägt, nicht aufhören kann zu trinken und zu rauchen. Da muss es noch viel mehr Aufklärung geben, denn davon sind alle Gesellschaftsschichten betroffen. Und es gibt keine Alkoholmenge, von der man sagen könnte, sie sei unschädlich. Die betroffenen Familien sind zum Teil lange allein gelassen worden, weil man diese Erkrankung schwer diagnostizieren kann. Da wurde den Eltern immer nur gesagt: Sie haben eben ein schwieriges Kind, es ist hyperaktiv, oder ähnliches.

Jérôme: Wie sieht es denn mit Ihrem Verhältnis zu den sogenannten „Lifestyle-Drogen“ aus? Eine Ihrer Amtsvorgängerinnen hatte vor einigen Jahren ein Problem mit Kokain-Spuren, die in den Toiletten des Deutschen Bundestags gefunden wurden. Würden Sie heute dort eine neuerliche Überprüfung veranlassen?

Dyckmans: Nein, aber Kokain – oder auch Cannabis – als „Lifestyle-Droge“ zu bezeichnen, hielte ich ohnehin für den völlig falschen Weg. Ich bekomme auch immer wieder Schreiben, in denen steht: „Ich nehme am Wochenende meinen Joint und dann geht’s mir gut, ansonsten bin ich jedoch ein respektiertes Mitglied der Gesellschaft. Warum kriminalisieren Sie mich?“ Und dann wird oft damit argumentiert, dass Alkohol doch auch gefährlich, jedoch nicht verboten sei. Da kann ich dann nur sagen: Wenn es schon gefährliche legale Drogen gibt, müssen wir nicht noch eine weitere gefährliche zulassen.

Jérôme: Ihre Tätigkeit verlockt doch sicher zur Titulierung mit diversen Spitznamen. Sind Sie bundestagsintern die „Marihuana-Mechthild“?

Dyckmans: Nicht dass ich wüsste. Aber immer, wenn ich irgendwo hinkomme, heißt es als erstes: „Hast Du ein paar Drogen mitgebracht?“, oder es wird gesagt: „Oje-oje, jetzt dürfen wir nicht mehr weitertrinken …“

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