Um ein Haar wäre das Geheimnis um den Tod der 119 Menschen, deren sterbliche Überreste im Januar 2008 auf einer Baustelle der Universität Kassel entdeckt worden waren, nie gelöst worden. Denn nachdem feststand, dass es sich nicht um Todesfälle jüngeren Datums handelte, wurden die meisten Skelette schnell und ohne viel Federlesen auf dem Kasseler Hauptfriedhof beigesetzt. Die Neugier von Dr. Kai Füldner, Direktor des Kasseler Naturkundemuseums, zu diesem Zeitpunkt mit der Vorbereitung der Ausstellung »Mumien – Körper für die Ewigkeit« befasst, war indes geweckt. „Ich habe dann beim damaligen Bürgermeister Thomas-Erik Junge mehrfach nachgehakt, bis er mir im Sommer 2008 schließlich noch nicht beerdigtes Knochenmaterial überlassen hat“, so Füldner.
Seine guten Kontakte zur Göttinger Universität nutzend, bewerkstelligte es der Museumsdirektor daraufhin, dortige Kollegen für die weitere Untersuchung der Knochenfunde zu gewinnen. „Vor allem deren Bereitschaft, sich der Aufgabe im Rahmen von Diplomarbeiten anzunehmen, hat die Sache richtig in Schwung gebracht“, berichtet Kai Füldner. „Denn nur so waren die genetischen Befunde denkbar, die uns dann auf die richtige Spur gelenkt haben.“ Die nach erneuter Exhumierung ab 2009 per Radiokarbonmethode durchgeführten Untersuchungen an den Skeletten führten zu dem Ergebnis, dass der Todeszeitpunkt um 1800 gelegen haben muss, aufwändige DNA-Analysen belegen bei derzeit drei Individuen Schützengrabenfieber und durch molekulargenetische Methoden konnte die Herkunft der Skelette auf das Gebiet der Benelux-Länder eingegrenzt werden. Im Zusammenspiel mit weiteren Indizien auf die Kasseler Militärgeschichte gespiegelt, ergab sich fast zwingend der Schluss, dass es sich bei den Toten um französische Soldaten, sogenannte Hieronymus-Napoleon-Husaren handelt, die gegen Ende der Regierungszeit von Jérôme Bonaparte hier gegen die russische Kavallerie kämpften und dabei geschlagen wurden.
Die Verletzten der aus den Departements Metz und Luxemburg stammenden Soldaten wurden zunächst in die Charité an der Leipziger Straße gebracht, wegen Überfüllung jedoch auch in ein Hilfslazarett, das sich in unmittelbarer Nähe des Fundortes der Skelette befand. Hier starben die Husaren vermutlich an dem damals dort grassierenden »Lazarett«- oder Nervenfieber. Nach wissenschaftlichen Rekonstruktionen lebensecht von der Berliner Designerin Lisa Büscher als Modelle in Szene gesetzt, erinnern zwei der verstorbenen Soldaten nun im Rahmen der noch bis zum 1. Mai 2014 zu besichtigenden Ausstellung »Die Skelettfunde vom Uni-Campus« an dieses bislang wenig bekannte Kapitel der Kasseler Stadtgeschichte.