Vom Sehen zum Erkennen

Auf dem Neujahrsempfang der Stadt Kassel: documenta 14-Leiter Adam Szymczyk (links) mit Noch-documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld. Foto: Mario Zgoll

Adam Szymczyk leitet die documenta 14

Alle Jahre wieder. Auch bei Adam Szymczyk, am 22. November 2013 als künstlerischer Leiter der documenta 14 inthronisiert, begann es augenblicklich: das große Rätselraten, das eifrige Lesen im Künstler-Kaffeesatz. Wer steht bereits sicher auf der Künstlerliste? Spektakel oder nicht Spektakel? Neue Besucherrekorde oder doch eher Klasse statt Masse? Obgleich im Moment wohl niemand ernsthaft mehr als ein grobes Konzept erwarten kann, geschweige denn einen bereits fertigen Plan. Den zu entwerfen und schließlich erfolgreich umzusetzen, bleiben dem 43-jährigen Kunstkritiker und Kurator immerhin noch knapp dreieinhalb Jahre Zeit, einschließlich aller möglichen Kurskorrekturen, von denen indes nicht allzu viele zu erwarten sind, handelt es sich bei Adam Szymczyk doch um eine bekannte, erfahrene und einflussreiche Größe in der internationalen Kunstwelt.

Warschau, Basel, Berlinale
Nach seinem Kunstgeschichtsstudium an der Universität Warschau ließ sich der neue documenta-Leiter Mitte der 1990er Jahre in Amsterdam zum Kurator ausbilden, war 1997 – im gleichen Jahr, als er seine erste documenta besuchte – Mitbegründer der Warschauer Foksal Gallery Foundation und wirkt seit Sommer 2003 als Direktor der Kunsthalle Basel, die zu den weltweit renommiertesten Institutionen für zeitgenössische Kunst zählt. Darüber hinaus kuratierte er unter anderem gemeinsam mit Elena Filipovic 2008 die fünfte Berlin Biennale.

Einen Favoriten gibt es bereits
Trotz der mittlerweile zahllosen Konkurrenz-Kunstgroßveranstaltungen betrachtet Szymczyk die documenta nach wie vor als „das Zentrum der Kunstwelt“. Deren Ausrichtung habe ihn schon lange gereizt, wie er der ZEIT verriet, wohl auch, weil er sich in der dafür nötigen Auszeit vom normalen, hektischen Ausstellungsbetrieb erhoffe, als Kurator „endlich normal zu funktionieren“. Als einen seiner Favoriten für die kommende documenta benannte er immerhin schon den 2003 verstorbenen Baseler Soziologen Prof. Dr. Lucius Burckhardt. Dieser wirkte, gemeinsam mit seiner Ehefrau und Kollegin Annemarie Burckhardt, seit 1973 im Fachbereich Architektur-, Stadt- und Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel (wo auch der Autor dieser Zeilen sein Diplom bei ihm schrieb). Lucius Burckhardt entwickelte hier nicht zuletzt die Promenadologie, die »Spaziergangswissenschaft«, bei der es vor allem darum geht, so Adam Szymczyk, „aus dem bloßen Sehen ein Erkennen werden zu lassen“ – eine für den neuen documenta-Macher beispielhafte Vorgehensweise. Die Aufgabe der Kunst bestehe für ihn darin, der „vorhersehbaren, nahtlosen Gegenwart“ etwas Unerwartetes, Widerständiges, im besten Sinne Unverständliches entgegenzusetzen, dessen tiefere Bedeutung sich eben nicht auf den ersten Blick erschließt. Das zu erwartende Groß-Rätsel documenta 14 beginnt am 10. Juni 2017.

Teilen, drucken, mailen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert