Erfolgsmodell auf Crashkurs: Die Evolution der Menschen

Ob Dieter Bohlen, Guido Westerwelle oder Sarah Palin: Immer wieder gibt es aktuelle Anlässe, sich mit der Geschichte der Menschheit als solcher auseinanderzusetzen, mit ihren oft unerwartet speziellen Ausprägungen, beflügelt von der Frage: Wie konnte es eigentlich soweit kommen? Die noch bis zum 22. Mai 2011 im Naturkundemuseum Kassel gezeigte Sonderausstellung „Evolution der Menschen“ versucht darauf Antworten zu geben und wirft zugleich einen Blick auf das, was uns in Zukunft voraussichtlich noch alles bevorsteht.

Das Erbgut des Schimpansen stimmt zu 96 Prozent mit dem des modernen Menschen überein, und dennoch: „Dass der Mensch vom Affen abstamme, hat Charles Darwin nie behauptet“, sagt Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums Kassel. „In seinem Werk ‚Die Abstammung des Menschen‘ postulierte er stattdessen lediglich einen gemeinsamen Vorfahren.“ Darwins Evolutionstheorie – die Veränderbarkeit der vererbbaren Merkmale von Generation zu Generation, die zu neuen Arten führt – hatte Mitte des 19. Jahrhunderts die Wissenschaft revolutioniert, indem sie endlich ein plausibles Erklärungsmodell für den Entstehungsprozess des vielfältigen Lebens auf der Erde lieferte. Folgerichtig beginnt die Ausstellung auch mit einer Würdigung dieses epochalen Naturwissenschaftlers, der – mehr als 100 Jahre, bevor sich seine Annahme schließlich durch entsprechende Funde bestätigte – die „Wiege der Menschheit“ immer in Afrika vermutet hatte.

Aufrecht und einsichtig
Die (vor-)menschliche Entwicklungslinie begann dort, vor rund 6 Millionen Jahren, mit dem aufrechten Gang, als erstem signifikanten Schritt zur Menschwerdung. Diese Linie blieb in ihrer Verbreitung zunächst auf den afrikanischen Kontinent beschränkt, bis eine erste Auswanderungswelle von Frühmenschen vor 2 Millionen Jahren Europa erreichte. Aus ihnen entwickelten sich vor etwa 160.000 Jahren die ersten echten Europäer, die Neandertaler. Unsere direkten Vorfahren – von der Art Homo sapiens, den „einsichtsfähigen Menschen“ – bildeten sich vor 500.000 bis 200.000 Jahren im Osten Afrikas heraus, bevor sie vor 120.000 Jahren den Nahen Osten und schließlich vor 50.000 bis 40.000 Jahren Europa, Asien und Australien besiedelten und dabei den Neandertaler langsam ablösten. Dieser starb vor rund 30.000 Jahren aus, während es noch bis vor mindestens 18.000 Jahren eine weitere, zwergwüchsige Menschenart gab, die jedoch ausschließlich auf der indonesischen Insel Flores beheimatet war. Die Kasseler Ausstellung vermittelt, unter anderem mit lebensechten Dioramen, wie die Welt dieser frühen Menschenarten aussah und wie sich ihre und damit auch unsere kulturelle Entwicklung seither vollzog, vom ersten Werkzeuggebrauch bis hin zu Beerdigungsritualen, Konfliktbewältigung, Zusammenleben, Fortpflanzung, Medizin, Kunst und der – uns im Unterschied zu Tieren eigenen – Frage nach dem Sinn des Lebens.

Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums Kassel, neben Menschen, wie sie vor etwa 500.000 Jahren lebten

Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums Kassel, neben Menschen, wie sie vor etwa 500.000 Jahren lebten

Wie sich dieses Leben – aufgrund des Menschen – in Zukunft weltweit gestalten wird, ist eine weitere Frage, die sich für den Ausstellungsbesucher zwingend ergibt. Denn die Folgen seiner technischen Evolution, aufgrund derer der Mensch, als global verbreiteter Allesfresser, immer massiver in seine Umwelt eingreift und rigoros deren Ressourcen verbraucht, erscheinen mehr als bedrohlich: So nimmt etwa, bei gleichbleibendem Wachstum, die Weltbevölkerung jeden Tag um 216.000 Menschen zu. Doch nur 1 Prozent des weltweiten Wasservorkommens ist Grundwasser und damit Trinkwasser, wovon allein jeder Bundesbürger im Schnitt täglich über 120 Liter privat verbraucht – ein Drittel zum Spülen der Toilette. Dazu kommen, umgerechnet pro Kopf, gleich mehrere tausend Liter für die globale Produktion von Produkten. „Wir zeigen diese Entwicklung lediglich auf“, so Dr. Kai Füldner, dessen Team mit der Darstellung der gesamten Menschheitsentwicklung, untergebracht auf zwei Etagen, bereits Großartiges geleistet hat. „Lösungsvorschläge können leider auch wir nicht anbieten.“

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