Oft sind es ja die sehr großen und die sehr kleinen Dinge, die einen mehr beeindrucken als die dazwischen. So ging es mir auch, als ich mit 16 Jahren nach Kassel kam. Hier hatte ich meine erste Freundin, hier bin ich zum ersten Mal Straßenbahn gefahren und am Königsplatz habe ich zum ersten Mal Pommes gegessen. Da war ich in einem Alter, in dem andere Jungs mit Pommes und Straßenbahn-Fahren wahrscheinlich schon nicht mehr so zu beeindrucken waren wie ich damals. Aber ich kam aus einem kleinen Ort in der Nähe von Karlsbad in der Tschechoslowakei und da waren Pommes noch weitgehend unbekannt.
Mit großen Augen bin ich in Kassel damals durch die Innenstadt gelaufen und schaute in die großen Schaufenster voller glücksversprechender Waren. Da ich zu dieser Zeit kaum ein Wort Deutsch sprach, lernte ich erst mal die Sprache. Mit 17 fing ich im VW-Werk eine Lehre an. Als in meiner Heimat der Prager Frühling anbrach, nannten sie mich in der Berufsschule Rudi Dubèek. Von meinem ersten selbstverdienten Geld kaufte ich mir für 30 Mark eine viel zu große Winterjacke – und ab und zu auch Pommes. Für mich haben Pommes nie wieder so gut geschmeckt wie damals am Königsplatz. Heute sind es andere Dinge, die ich an Kassel schätze: Den Blick von der Wilhelmshöher Allee in Richtung Herkules und ein Spaziergang im Habichtswald.
Rudi Stassek
Pressesprecher Volkswagenwerk Kassel